Kolumbien / Politik

Militärs aus Kolumbien in Havanna

Verhandlungen über bilateralen Waffenstillstand. US-Sonderbeaufragter spricht mit Friedensdelegationen. FARC: Kein Tag Gefängnis für Guerilleros

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Präsident Santos im Gespräch mit spanischen Unternehmern in Madrid über Investitionsmöglichkeiten nach Beendigung des Konflikts
Präsident Santos im Gespräch mit spanischen Unternehmern in Madrid über Investitionsmöglichkeiten nach Beendigung des Konflikts

Madrid/Bogotá/Havanna. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos hat sechs hochrangige Militärs nach Havanna entsandt, damit sie im Rahmen des Friedensdialogs mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) einen bilateralen Waffenstillstand verhandeln. Dies gab Santos bei seinem Staatsbesuch in Spanien bekannt, wo der Präsident sich der Unterstützung des europäischen Landes für den Friedensprozess in Kolumbien versicherte.

Bei den neuen Teilnehmern an der "technischen Unterkommission", die das Thema einer Feuereinstellung bearbeitet, handelt es sich um befehlshabende Generäle der Nationalpolizei und der Teilstreitkräfte der kolumbianischen Armee. Die ersten Berichte heben hervor, dass die militärischen Führungskräfte eine "tiefe Kenntnis" des bewaffneten Konfliktes in Kolumbien und nicht nur militärische, sondern teilweise auch akademische Qualifizierung besäßen und auch den Geheimdiensten der Streitkräfte angehörten.

Ihre Aufgabe sei es, mit den Aufständischen die Regeln für einen Waffenstillstand für alle geografischen Regionen zu vereinbaren, da frühere Versuche der Befriedung an einer entsprechenden Genauigkeit gescheitert seien.

Als Teilnehmer eines Friedensforums in Madrid betonte der kolumbianische Präsident, es gebe niemanden, "der mehr mit einem endgültigen Waffenstillstand einverstanden ist als die Kommandierenden im aktiven Dienst". Gleichzeitig habe man die FARC niemals zuvor so engagiert für einen Friedensprozess gesehen.

Santos kündigte an, die US-Regierung um die Aufhebung der Auslieferungsersuchen gegen FARC-Mitglieder zu bitten. Dafür müsse eine Lösung gefunden werden, denn "niemand wird die Waffen niederlegen, um dann in einem nordamerikanischen Gefängnis zu sterben. Das ist völlig unrealistisch", sagte er. Es sei seine Verantwortung in den Beziehungen mit den USA, eine Lösung hierfür zu finden. Die Justiz könne kein Hindernis für den Frieden sein, fügte Santos hinzu.

Kolumbien hatte in der Vergangenheit mehrfach FARC-Angehörige an die USA ausgeliefert, gegen die dort Haftbefehle unter anderem wegen Drogenhandels, Geldwäsche und Terrorismus erlassen worden waren. Unter ihnen ist Simón Trinidad, dessen Teilnahme an den Friedensgesprächen die FARC fordern. Er sitzt seit 2004 eine 60-jährige Haftstrafe wegen Beteiligung an der Gefangennahme von drei US-Amerikanern im Jahr 2003 ab, die für ein privates Sicherheitsunternehmen im Auftrag des Pentagons in Kolumbien arbeiteten. Sie wurden 2008 vom kolumbianischen Militär befreit.

Der unlängst von der US-Regierung ernannte Sonderbeauftragte für die Friedensgespräche, Bernard Aronson, ist unterdessen in Havanna eingetroffen. Um sich umfassend zu informieren, welche Richtung die Gespräche eingenommen haben, kam er mit den Gesandten der kolumbianischen Regierung sowie zweimal mit der Friedensdelegation der FARC zusammen.

Die Delegation der FARC in Havanna hat am Dienstag erklärt, es sei kein Abkommen möglich, das "auch nur einen Tag Gefängnis" für Angehörige der Guerilla in Erwägung ziehe. Sie übten ihr Recht auf Rebellion aus, "ein hoher Wert der Menschheit, um mit den Ungerechtigkeiten Schluss zu machen".

Bei der Definition einer auf die Guerilla anwendbaren Rechtsprechung müsse ihr politisch-militärischer Charakter anerkannt werden. Das bedeute, dass das gesamte Handeln der Organisation im Rahmen der Ausübung des Rechts auf Rebellion beurteilt werden müsse. Auch ihre Verantwortung für die Auswirkungen der bewaffneten Konfrontation auf die Bevölkerung müsste in diesem Sinn bewertet werden. Die FARC hätten nie ihre Verantwortung bestritten und würden sich ihr weiterhin sowohl ethisch wie politisch stellen. Nicht die Guerilleros seien im Verlauf des seit über 50 Jahren andauernden Konflikts in den Genuss von Straffreiheit gekommen, "sondern die Oligarchie, die regierende politische Klasse und die Streitkräfte", betonte die Delegation.

In Kolumbien gibt es zwischen 7.500 und 9.500 politische Gefangene, davon circa 1.000 Kriegsgefangene aus den Guerillaorganisationen. Auf die unmenschlichen Haftbedingungen, Misshandlungen und Folter in den kolumbianischen Gefängnissen wird seit Jahren von nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen und dem UNO-Menschenrechtskomitee hingewiesen und dagegen protestiert.