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Nach Unwetter: In Chile hagelt es Kritik

Überschwemmungen im Norden des Landes offenbaren Planungsmängel. Siedlungen in Gefahrengebieten. Supermärkte verdreifachten Preise für Trinkwasser

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Hochwasser am Colbún-See in Zentralchile, hier im Jahr 2006
Hochwasser am Colbún-See in Zentralchile, hier im Jahr 2006

Santiago de Chile. Starke Regenfälle haben zu Überschwemmungen in den Regionen Antofagasta, Atacama und Coquimbo im Norden Chiles geführt. Über die Region wurden Ausnahmezustand und nächtliche Ausgangssperre verhängt. Die Regierung steht nun wegen mutmaßlicher Planungsmängel und ihrem Krisenmanagement unter Kritik.

Im Zentrum steht dabei die direkt vom Innenministerium unterstellte Katastrophenschutzbehörde ONEMI. Diese habe, wie es nun von verschiedenen Seiten heißt, nicht sofort alarmiert und präventiv gehandelt, als sie von verschiedenen kompetenten Quellen über bevorstehende starke Regenfälle informiert worden war. Innenminister Mahmud Aleuy rechtfertigte dies damit, dass man ein Land nicht aufgrund unsicherer Daten in Alarm versetzen könne.

Hinterfragt werden auch die offiziellen Zahlen der ONEMI. Diese sprach von 20 Verschwundenen in der ganzen Region, während die Feuerwehr 91 Verschwundene allein in der Stadt Chañaral zählte. Innenminister Aleuy zufolge sind die unterschiedlichen Zahlen darauf zurückzuführen, dass die Regierung nur aufgrund bestimmter juristischer Grundlagen offiziell jemanden für verschwunden oder tot erklären kann.

Für Kritik sorgt zudem die Bauplanung in der Region. Während der Unwetter wurde das Krankenhaus von Copiapó überschwemmt, weil es zu nahe an ein – wenn auch seit Jahrzehnten ausgetrocknetes – Flussbett gebaut war. Besonders stark betroffen von den Unwettern sind arme Siedlerfamilien, die in ausgetrockneten Flussbetten ihre Häuser gebaut hatten.

Für Unmut sorgte die Reaktion einzelner Unternehmen auf die Katastrophe. Die Firma Frutícola Atacama hatte Arbeiterinnen in einem verriegelten Container wohnen lassen, aus dem bei Einsetzen des Starkregens nicht alle Frauen fliehen konnten. Große Supermarktketten wie Jumbo oder Santa Isabel, die beide zum Unternehmen Cencosud gehören, haben die Preise für Trinkwasser verdreifacht, wie User in sozialen Netzwerken berichteten. Die Regierung kündigte Sanktionen an, verteidigte zugleich aber nächtliche Ausgangssperren. Diese dienten auch dazu, Plünderungen von Supermärkten zu verhindern.

Weiterhin gibt es Befürchtungen, dass Abwasserbecken von Minen während des Unwetters ausgelaufen sind. Es gibt in der Region hunderte solcher Becken, in deren Wasser sich verschiedene giftige Chemikalien befinden. Das Ministerium für Bergbau versicherte nach ersten Inspektionen, dass die Abwasserbecken, insbesondere jene in kritischer Distanz zu Städten, keinen Schaden genommen hätten. Die Vorsitzende dieses Ministeriums ist ehemalige Angestellte einer Minen-Firma von Chiles reichster und einflussreichen Familie Lucsik.

Der Bürgermeister von Copiapó hatte noch am Samstag berichtet, dass vielen Menschen aus der Region teilweise heftige Hautirritationen beklagten. Der Lokalpolitiker befürchtete eine Verseuchung mit Schwermetallen.

Bolivien hatte Chile am vergangenen Samstag Hilfe angeboten. Nach anfänglicher Ablehnung hat die chilenische Regierung dieses Angebot mittlerweile angenommen, dabei aber betont, dass die Hilfe nicht für politische Zwecke missbraucht werden dürfe. Zwischen beiden Staaten herrscht ein angespanntes Klima, seit die Regierung Boliviens von Chile wieder einen Zugang zum Meer einfordert, den das Land im Salpeterkrieg (1879 bis 1884) verloren hat.