Vizepräsidentin von Guatemala wegen Korruption zurückgetreten

Hinweise deuten auf ihre Verwicklung im Bestechungsskandal der Steuerbehörde hin. Verbindung mit Drogenhandel wird auch vermutet. Demonstrationen dauern an

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Ex-Vizepräsidentin Roxana Baldetti.
Ex-Vizepräsidentin Roxana Baldetti.

Guatemala-Stadt. 23 Tage, nachdem der Bestechungsskandal in der guatemaltekischen Steuerbehörde SAT durch die Internationale Kommision gegen die Straflosigkeit (CICIG) aufgedeckt wurde, ist die Vizepräsidentin Guatemalas, Roxana Baldetti, am 8. Mai von ihrem Amt zurückgetreten. Zwei Tage zuvor hatte dies der mächtige Wirtschaftsverband CACIF gefordert, ebenso die Bügerinnen und Bürger in mehreren Demonstrationen.

Guatemalas Präsident Otto Pérez Molina gab den Rücktritt seiner Vizepräsidentin bekannt und betonte, dies sei ihre persönliche Entscheidung gewesen. Mit dem Rücktritt hat Baldetti ihre Immunität verloren. Bereits zuvor hatte der Oberste Gerichtshof einstimmig entschieden, dass es genügend Beweise gebe, um den Antrag auf Immunitätsentzug zu stellen, damit sich Baldetti der normalen Gerichtsbarkeit stellen muss. Der Rücktritt Baldettis kam einer entsprechenden Entscheidung des Parlaments zuvor. Gleichzeitig wurde gegen sie eine Ausreisesperre verhängt. Ihr Privatsekretär Juan Carlos Monzón, der der Chef des illegalen Netzwerks "La Linea" in der Steuerbehörde gewesen sein soll, ist immer noch flüchtig.

In zahlreichen abgehörten Telefongesprächen im Zusammenhang mit dem SAT-Skandal ist von "der Zweiten", "der Dame", "der R" die Rede, womit Baldetti gemeint sein könnte. Sie versuchte sich plump aus der Affaire zu ziehen, indem sie bei ihrer ersten Pressekonferenz nach Bekanntwerden der Vorwürfe erklärte, damit könnte Rosa Leal de Pérez, die Frau des Präsidenten, gemeint sein.

Baldetti wird auch mit der "Königin des Südens", der Guatemaltekin Marllory "Chacón" Rossell, in Verbindung gebracht, die sich derzeit in der USA wegen Drogenhandels vor Gericht zu verantworten hat.

Trotz des Rücktritts der Vizepräsidentin wird weiterhin zur geplanten Demonstration am kommenden Samstag aufgerufen. Der Unmut über die Korruption bleibt bestehen, auch weil immer mehr Exzesse, auch in der Justiz ans Licht kommen. Am Tag von Baldettis Rücktritt wurde bekannt, dass die zuständige Richterin Marta Sierra de Stalling Bestechungsgelder von den Anwälten von sechs der verhafteten Mitglieder von "La Linea" angenommen und im Gegenzug für die sechs Ersatzmaßnahmen angeordnete hatte. Drei von ihnen wurden daraufhin erneut festgenommen, unter ihnen auch Francisco Ortiz Arriaga, "Teniente Jerez".

Ortiz gehörte zum 1996 teilweise aufgelösten illegalen Netzwerk "Red Moreno", das ebenfalls in der Zollbehörde operierte. Durch ihn lässt sich eine Kontinuität zu "La Linea" herstellen. Die zwei Anwälte, die die verhafteten Mitglieder dieser Organisation vertreten, wurden wegen ihrer Machenschaften von der CICIG auch als "Kanzlei der Straflosigkeit" bezeichnet. Gegen beide sowie gegen Luis Mendizábal sind Haftbefehle erlassen worden. Mendizábal spielte eine Vermittlerrolle zwischen Kanzlei und Klienten. Er war bereits 2009 federführend beim Versuch, den damaligen Präsidenten durch einen inszenierten Selbstmord des Anwalts Rosenberg zum Rücktritt zu zwingen. Mendizábal ist flüchtig.

Neben der Richterin Marta Sierra de Stalling wird auch Blanca Stalling, Richterin am Obersten Gerichtshof, von Gesprächsaufnahmen belastet, die auf ihre Verwicklung in den Korruptionsskandal hinweisen.

Mit dem Rücktritt Baldettis versuchen sich die Verbündeten der Regierung, Pérez Molina selbst und der Wirtschaftsverband aus der Affäre zu ziehen. Gleichzeitig hoffen sie, dadurch die Regierung zu stabilisieren und einer institutionellen Krise vorzubeugen. Der CACIF, in dem auch viele Exportunternehmen vertreten sind, die sicherlich von der Bestechung beim Zoll profitiert haben, versucht zudem, mit einer offensiven Gegenstrategie die Kritik an ihm zu kontern, indem er neben Baldettis Rücktritt forderte, Untersuchungen gegen die Unternehmen einzuleiten, die in den Bestechungskandal verwickelt waren. Auch die USA deckten der jetzigen Regierung den Rücken und machten deutlich, dass sie keine institutionelle Krise tolerieren.

Inzwischen hat der Präsident dem Kongress drei Kandidaten für die Vizepräsidentschaft vorgeschlagen: Carlos Contreras, aktueller Arbeitsminister, Adela de Torrebiarte, Kommissionarin für die Polizeireform und Innenministerin von 2007 bis 2008, sowie Adrian Zapata, Sekretär des Kabinets für ländliche Entwicklung.