Krise in Guatemala verschärft sich

Neue Widerstandsbündnisse halten Proteste aufrecht. Forderung nach Rücktritt des Präsidenten und einer Verfassungsgebenden Versammlung

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Indigene kamen mit roten Nelken zur Demonstration am 30. Mai und überreichten sie den Studenten als Symbol der Hoffnung

Guatemala-Stadt. Seit der ersten großen Mobilisierung breiter Bevölkerungskreise gegen Korruption und für den Rücktritt des Präsidenten Otto Pérez Molina am 25. April treffen sich jeden Samstag Demonstranten auf dem Hauptplatz von Guatemala-Stadt.

Das Land befindet sich im Umbruch. Erstmals mobilisiert sich auch die Mittelschicht in der Hauptstadt, die sich bislang nicht um die Befindlichkeiten der ländlichen Bevölkerung kümmerte. Auch findet eine Begegnung zwischen Generationen statt. An der Protestkundgebung vom 30. Mai wurden die traditionellen indigenen Anführer, die von der 2. Volksversammlung kamen, mit Jubel auf dem Hauptplatz empfangen. Sie überreichten den demonstrierenden Studenten rote Nelken als Symbol der Hoffnung.

Die Forderungen der Protestierenden sind auf eine Neubildung des Staates ausgerichtet. Es werden immer noch der Rücktritt des Präsidenten sowie Reformen des Wahl- und politischen Parteiengesetzes, des Justizsystems, des Zivildienstes und der Öffentlichen Beschaffungspolitik und eine Verfassungsreform gefordert. Zudem wird verlangt, die für diesen September geplanten Wahlen zu verschieben.

Bereits nach den ersten Protesten bildete sich eine Volksversammlung, zusammengesetzt aus Repräsentanten sozialer Bewegungen, Studenten, zivilgesellschaftlichen Organisationen und indigenen Vertretern. An der zweiten Versammlung nahmen 650 Delegierte von 88 Organisationen teil. Es wurde ein Kommuniqué verfasst, in dem die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung verlangt wird.

In den Wochen zuvor traten die Vizepräsidentin Baldetti als direkt Involvierte im Korruptionsskandal sowie der Innenminister López Bonilla, der Minister für Energie und Bergbau, die Umweltministerin und der Chef des staatlichen Geheimdienstes zurück. Guatemalas Präsident Pérez Molina gerät immer stärker unter Druck. Der Abgeordnete Amílcar Pop von der indigenen Partei Winaq reichte im Zusammenhang mit den Korruptionsaffären eine Strafanzeige gegen ihn ein. Vergangene Woche hat der Oberste Gerichtshof dem Gesuch, ein Verfahren zur Aufhebung seiner Immunität einzuleiten, stattgegeben. In den nächsten Tagen wird eine parlamentarische Kommission über die Immunitätsaufhebung entscheiden.

Am vergangenen Freitag traf sich der Präsident mit der Armeeführung. Nach der Zusammenkunft hielt der Verteidigungsminister fest, dass das Militär nicht für einen Staatsstreich zur Verfügung stehe, sondern weiterhin die Rechtsstaatlichkeit sichern würde. Pérez Molina nutzte die Gelegenheit, um klarzustellen, dass er keine Beschwerde gegen die Aufhebung seiner Immunität einlegen würde.

Nach der jüngsten Protestkundgebung in der Hauptstadt wurde auf der Rückfahrt ein Bus mit Demonstrierenden aus San Juan Sacatepequez, mit mehrheitlich Frauen und Kinder, durch ein überdimensioniertes Polizeiaufgebot für mehrere Stunden festgehalten, weil angeblich vermutet wurde, dass sich zwei mutmaßliche Mörder im Bus befunden hätten.

In einer öffentlichen Erklärung beklagt die Allianz der Maya Indigenen Waqib Kej die Kriminalisierung der sozialen Proteste. Diese äußerte sich in den vergangenen Wochen unter anderem in Einschüchterungen und der Repression des friedlichen Widerstands von La Puya, den Aggressionen gegen die indigenen Gemeinden in San Juan Sacatepequez und in willkürlichen Verhaftungen von Anführern des Widerstands in Barillas. Die "ungestrafte Maschinerie der Repression gegen Anführer, indigene Gemeinden und Völker, die ihre kollektiven Rechte verteidigen", funktioniere weiter, um so "die korrupten Machenschaften zu garantieren", heißt es darin.