Haiti / Politik

Zweifel an positiver Auswirkung der Wahlen in Haiti

Abstimmung am vergangenen Sonntag von massiver Gewalt überschattet. UN-Vertreter fordern Ermittlung. Ergebnisse werden noch nicht bekanntgegeben

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Wahllokal in Delmas, Haiti
Wahllokal in Delmas, Haiti

Port-au-Prince. Medien in Lateinamerika und politische Beobachter bezweifeln, dass mit den Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag in Haiti die andauernde strukturelle Krise der Demokratie in der verarmten Karibiknation überwunden werden kann. Im Verlauf der Abstimmung war es offenbar zu mehreren Morden, zahlreichen Festnahmen und gewaltsamen Zusammenstößen gekommen. Nun fordern auch Vertreter der Vereinten Nationen eine Untersuchung der offensichtlich politisch motivierten Gewalt.

Die Wahl einer neuen Volksvertretung fand ein halbes Jahr nach der Auflösung des Parlaments statt. Wegen innenpolitischer Zerwürfnisse war der seit 2011 überfällige Urnengang mehrfach verschoben worden. Seit der Auflösung des Parlaments im Januar kann die noch amtierende Regierung von Präsident Michel Martelly nur per Dekret regieren. Fast sechs Millionen Wähler waren nun dazu aufgerufen, über 20 der 30 Senatssitze und knapp 119 Mandate in der Abgeordnetenkammer abzustimmen.

Die haitianische Polizei registrierte am Wahltag 137 Festnahmen, 53 Überfälle auf Wahllokale und drei verletzte Polizisten. Die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina weist darauf hin, dass es trotz des massiven Polizeiaufgebots ein hohes Maß an Gewalt sowie organisatorische Probleme gab. Die meisten Zusammenstöße zwischen Vertretern der politischen Lager und Parteien fanden in den Verwaltungsbezirken Artibonite, im Zentrum und im Osten des Landes statt, sagte Polizeichef Godson Orelus gegenüber Journalisten. Der Polizeichef mochte jedoch Pressemeldungen zunächst nicht bestätigen, nach denen es drei Tote gegeben habe.

Dessen ungeachtet riefen auch die Vereinten Nationen dazu auf, die Verantwortlichen für Todesfälle während der Wahlen ausfindig zu machen und zur Verantwortung zu ziehen. Die Sonderbeauftragte der UNO, Sandra Honoré, ließ über einen Sprecher ihr Bedauern über den Verlust von Menschenleben übermitteln. Diese Fälle müssten nun "ohne weitere Verzögerung" untersucht werden.

Den Schwierigkeiten zum Trotz beurteilen die Wahlbehörde CEP und die Regierung den Ausgang der Abstimmung als positiv. Vertreter der Sicherheits- und Justizbehörden kündigten an, gegen Verantwortliche für politische Ausschreitungen durchzugreifen. Der CEP verlängerte die Frist bis zur Veröffentlichung der Wahlergebnisse indes auf bis zu zehn Tage.

Für die 119 Sitze im Parlament hatten sich 1.853 Kandidaten aus über hundert politischen Parteien und Gruppierungen beworben. Die Bevölkerung nahm dem entgegen kaum Anteil an dem Wahlkampf und der Abstimmung. Die zweite Runde der Wahlen soll am 25. Oktober stattfinden: Dann wird auch ein neuer Präsident bestimmt sowie 1.140 Abgeordnete von Lokalparlamenten.

Zu der Wahlmüdigkeit in Haiti hatten auch Presseberichte über ausländische Einflussnahme auf die Abstimmungen in der Vergangenheit beigetragen. Vor wenigen Wochen erst war bekannt geworden, dass die US-amerikanische Agentur für Entwicklungshilfe (USAID) im Zuge der Wahlen 2010 in Haiti knapp 100.000 US-Dollar an eine Gruppierung gezahlt hatte, die dem späteren Sieger Martelly nahesteht. Das geht aus US-Regierungsdokumenten hervor, zu denen der arabische Nachrichtensender Al Jazeerah über das Informationsfreiheitsgesetz der USA Zugang erhalten hat. Die Zahlungen hätten damals in einem direkten Zusammenhang mit US-Einflussnahmen auf einen Streit um die Ergebnisse der ersten Wahlrunde gestanden, heißt es in einem entsprechenden Bericht des spanischsprachigen Portals Kaos en la Red. Im Streit um die Ergebnisse hatte damals die Gruppe Mouvement Tét Kale (MTK) eine führende Rolle bei den Straßenprotesten bekommen. Die Gelder für MTK flossen über das USAID-Vertragsunternehmen Chemonics. Die MTK unterstützte die Wahl Martellys.