Brasilien / Politik

Mobilisierung gegen Amtsenthebung von Präsidentin Rousseff in Brasilien

"Putschversuche" von rechts in der Kritik. Generalstaatsanwalt fordert Absetzung des Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Eduardo Cunha

Brasília. In ganz Brasilien haben am Mittwoch Zehntausende gegen ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei PT demonstriert. Soziale Bewegungen, Gewerkschaften und regierungsnahe Organisationen hatten zu dem Protest aufgerufen. Laut dem Statistikinstitut Datafolha beteiligten sich in São Paulo bei dem landesweit größten Protest rund 55.000 Menschen.

Die Demonstranten werfen der rechtsgerichteten Opposition vor, die Präsidentin mit illegalen Mitteln stürzen zu wollen. "Wir glauben, dass es sich um einen Putschversuch handelt, denn es gibt keine Beweise gegen unsere Präsidentin. Sie wurde nicht verurteilt und es gibt nichts, was ihr Verhalten diskreditiert, deshalb sehen wir einen Staatsstreich bevorstehen“, sagte die Aktivistin Sônia Nascimento in Rio de Janeiro.

Seit Monaten kämpft die Rechte in Brasilien für eine Absetzung der Präsidentin. Erst am Sonntag demonstrierten erneut landesweit Zehntausende gegen die sozialdemokratische Regierung. Die jüngsten Proteste blieben jedoch hinter den Erwartungen zurück und erreichten nicht die Teilnehmerzahlen von vorangegangenen Protesten.

Anfang Dezember hatte der Präsident der Abgeordnetenkammer, Eduardo Cunha, grünes Licht für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff gegeben. Der 68-Jährigen wird vorgeworfen, Haushaltszahlen frisiert zu haben, um ihre Wiederwahl zu garantieren. Derzeit wird vor dem Obersten Bundesgerichtshof (STF) über den Ablauf des Amtsenthebungsverfahrens verhandelt. In einer Rede vor der Nationalen Jugendkonferenz in der Hauptstadt Brasília betonte die Präsidentin, dass die Verfassung zwar eine Amtsenthebung zulasse, jedoch kein "Attentat auf die Demokratie".

Am Mittwoch versammelten sich in der größten Universität des Landes, der staatlichen Universität von São Paulo, Intellektuelle, die ein Manifest gegen die Amtsenthebung lancierten. "Wir verteidigen die Demokratie, denn sie ist in Gefahr", sagte der Ökonomieprofessor Luiz Carlos Bresser-Pereira. Zudem sprachen sich in sozialen Netzwerken über 200 Künstler, wie der Musiker Chico Buarque und die Schauspielerin Betty Faria, gegen den "Putsch" aus und erklärten, dass sie keinen "Rückschritt" akzeptieren werden. Auch Unterhauspräsident Cunha steht im Fokus der Kritik.

Am Dienstag durchsuchte die Bundespolizei im Zuge einer Razzia gegen hochrangige Politiker auch die Häuser und Büroräume von Cunha. Gegen den Politiker von der Mitte-Rechts Partei PMDB wird im Petrobras-Skandal wegen Korruption und Geldwäsche ermittelt. Cunha soll Schmiergelder in Millionenhöhe erhalten haben und über mindestens fünf geheime Konten in der Schweiz verfügen. Die Ethikkommission der Abgeordnetenkammer prüft derzeit seine Absetzung. Am Mittwoch forderte der Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot den Obersten Gerichtshof dazu auf, Cunha seines Amtes zu entheben. Laut Janot benutze er den Posten "in seinem eigenen Interesse und um weitere Ermittlungen zu verhindern."

Nachtrag: am Donnerstagabend (Ortszeit) hat der Oberste Bundesgerichtshof entschieden, dass das Verfahren zur Absetzung von Rousseff noch einmal von vorne begonnen werden muss. Die Wahl der Sonderkommission des Parlaments sei unzulässig gewesen, da sie nicht öffentlich erfolgte. Jede in der Abgeordnetenkammer vertretene politische Partei muss Kommissionsmitglieder vorschlagen, die dann einzeln und in öffentlicher Abstimmung gewählt werden, ordnete das Gericht an.