Venezuela / Politik / Militär

Opposition in Venezuela übergeht Justiz und ruft Armee zum Aufstand auf

MUD will trotz Entscheidung des Obersten Gerichts 112 Abgeordnete vereidigen. Drei Mandate wegen mutmaßlichen Stimmenkaufs suspendiert

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MUD-Chef Jesús Torrealba und der neue Parlamentspräsident Henry Ramos Allup von der Partei AD
MUD-Chef Jesús Torrealba und der neue Parlamentspräsident Henry Ramos Allup von der Partei AD

Caracas. In Venezuela nehmen die Spannungen unmittelbar vor der Vereidigung eines neuen Parlaments am Dienstag zu. Grund dafür ist die Entscheidung der Wahlkammer des Obersten Gerichtshofes (TSJ), eine Beschwerde aus den Reihen der regierenden Vereinigten Sozialistischen Partei (PSUV) über mutmaßliche Unregelmäßigkeiten in südlichen Bundesstaat Amazonas anzunehmen. Dort soll es zum Kauf von Stimmen gekommen sein. In Folge der Entscheidung vom Mittwoch wurde allen am 6. Dezember gewählten Abgeordneten aus Amazonas die Vereidigung am Dienstag untersagt. Die PSUV-Fraktion verkleinert sich damit bis zur Klärung des Sachverhalts von 55 auf 54 Mandate. Das oppositionelle Bündnis "Tisch der Demokratischen Einheit" (MUD) muss vorerst auf drei Abgeordnete verzichten – und verliert damit die Zweidrittelmehrheit, die ihr weitgehende Eingriffsrechte in das Gesetzgebungsverfahren und die staatliche institutionelle Ordnung gegeben hätte.

Angesichts der Entscheidung des TSJ geht der MUD nun auf Konfrontationskurs. Schon vor der Entscheidung hatte die Führung des Oppositionsbündnisses vom Obersten Gerichtshof verlangt, die fünf Richter der Wahlkammer wegen ihrer mutmaßlichen Nähe zum Regierungslager abzuberufen. Dieser Forderung war nicht nachgekommen worden.

In einem Kommuniqué widersprach der MUD der vorübergehenden Suspendierung der Abgeordneten aus Amazonas nun direkt. Der Oberste Gerichtshof habe kein Recht, in die Zusammensetzung des vom Volk gewählten Parlaments einzugreifen, heißt es darin. Die beispiellose Entscheidung des TSJ, die dem gesamten Staat Amazonas die parlamentarische Repräsentanz nehme, komme einem "Akt der Rebellion einer durch die legitime Entscheidung des Volkes besiegten Bürokratie" gleich, schrieb der MUD in seiner Erklärung. Zugleich kündigte das Bündnis für Dienstag einen Eklat an: Bei der konstituierenden Sitzung der neuen Nationalversammlung werde die oppositionelle Mehrheit geschlossen mit 112 Abgeordneten antreten – also auch mit den drei suspendierten Mandatsträgern aus Amazonas.

Am 16. Dezember hatte der Leiter der Wahlkampagne der PSUV, Jorge Rodríguez, die Staatsanwaltschaft und die Wahlbehörde CNE gebeten, Hinweise auf Stimmenkauf durch die Opposition zu prüfen. Rodríguez präsentierte ein Video, in dem angeblich die Stimme der oppositionellen Regionalpolitikerin aus Amazonas, Victoria Franchi Caballero, zu hören ist. Sie schildert darin, dass sie Wahlberechtigten zwischen 2.000 und 5.000 Bolívares gezahlt habe, um ihre Stimme der Opposition zu geben.

Führende Vertreter der Opposition riefen die Armee indes dazu auf, das nach ihrer Meinung legitime Wahlergebnis vom 6. Dezember zu verteidigen. Die Streitkräfte müssten der "offenen Rebellion" gegen das Wahlergebnis entgegentreten, forderte der mehrfache Präsidentschaftskandidat der Opposition und Gouverneur des Staates Miranda, Henrique Capriles.

Schon unmittelbar nach Bekanntgabe der Suspendierung von drei Abgeordneten aus ihren Reihen kündigte die Führung des MUD Proteste wegen eines "juristischen Staatsstreichs" vor der UNO und der US-dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) an. Zugleich drohte das Bündnis, dass der bisher von der Opposition beschrittene friedliche Weg der Wahlen verlassen werden könnte.