Haiti / Politik

Celac und OAS ringen in Haiti um Führungsrolle

Beide Regionalorganisationen entsenden Delegationen nach Port-au-Prince. Streit um Einfluss der USA in Lateinamerika und Karibik. Proteste gegen OAS

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Proteste von Anhängern der Partei Fanmi Lavalas in Haiti
Proteste von Anhängern der Partei Fanmi Lavalas in Haiti

New York/Port-au-Prince. Die Wahlkrise in Haiti hat offenbar Auswirkungen auf das gesamte interamerikanische System: Nach jüngsten Meldungen ringen die US-dominierte Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und die Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Celac) um die Führungsrolle zur Beilegung des Konfliktes.

In Haiti war es zuletzt zu massiven Protesten gekommen, nachdem die Stichwahl um das Präsidentenamt mehrfach verschoben wurde. Der Kandidat des Regierungslagers, Jovenel Moise, fordert einen neuen Zeitplan für die ihre Durchführung. Mehrere Parteien der Opposition sprechen sich indes für den sofortigen Rücktritt des scheidenden Präsidenten Michel Martelly, eine Übergangsregierung sowie Neuwahlen aus – und scheinen sich damit aktuellen Medienberichten zufolge durchzusetzen. Moises Gegenkandidat Jude Celestin hatte angebliche Manipulationen bei der ersten Runde der Wahlen beanstandet und seinen Rücktritt von der Stichwahl erklärt.

Zuletzt war der Vorsitzende der Wahlkommission (CEP), Pierre-Louis Opont, zurückgetreten. Das Gremium war heftig in die Kritik geraten. Vor allem Vertreter der Opposition warfen der CEP vor, illegale Einflussnahme auf die erste Runde der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr mit verschleiert zu haben.

Die Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Celac) kündigte indes eine Beobachtermission nach Haiti an. Die Delegation werde aus den Außenministern von Venezuela, Uruguay, den Bahamas und Ecuador bestehen, heißt es auf der Internetseite des lateinamerikanischen Fernsehsenders Telesur. Es gehe darum, Informationen über die Lage zusammenzutragen und der Regierung Martelly Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Die Celac-Mission sei auf Bitte der Regierung Martellys entsandt worden, schrieb Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Ecuador Präsident Rafael Correa begründete die Delegation zudem mit der Gefahr einer neuen ausländischen Intervention in der Karibik-Nation. "Haiti ist ein Mitgliedsstaat der Celac, daher müssen wir seiner Bitte nachkommen", so Correa.

Parallel zur Celac beschloss die US-dominierte Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) am vergangenen Mittwoch, in Haiti zu vermitteln. Die OAS, die ihren Sitz in Washington hat, will die Gespräche mit allen Parteien aufnehmen.

Während die Celac alle lateinamerikanischen und karibischen Staaten mit Ausnahme der USA und Kanada vertritt, steht die OAS historisch und politisch den USA nahe. Beim Celac-Gipfeltreffen in der vergangenen Woche in Quito schlug Ecuadors Präsident Correa vor, dass beide Organisationen ein neues interamerikanisches System aufbauen: Die OAS würde die USA und Kanada vertreten und die Celac die Mehrheit der lateinamerikanischen und karibischen Staaten.

In Haitis Hauptstadt Port-au-Prince gingen Ende vergangener Woche hunderte Menschen gegen die OAS auf die Straße, deren erste Vertreter am Sonntag ankamen. Bei den Demonstrationen in Port-au-Prince waren unter anderem Schilder mit der Aufschrift "Nieder mit der OAS" zu lesen. Der lateinamerikanische Nachrichtensender Telesur zitiert einen Teilnehmer, Joenson Versailles: "Der Moment ist gekommen, um die Geschicke unseres Landes nach 212 Jahren der Zerstörung in die eigenen Hände zu nehmen – aber die OAS hat die Konflikte stets geschürt."

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat sich angesichts der Absage der Präsidentschaftswahlen und andauernder gewalttätiger Proteste besorgt gezeigt. Die Absage der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl würde Haiti daran hindern, die bestehenden Herausforderungen in Bezug auf Sicherheit, Wirtschaft und soziale Fragen zu meistern. Vor diesem Hintergrund "ersucht der (Sicherheits-)Rat die Regierung, das Parlament und die relevanten politischen Akteure, bis zum 7. Februar zu einer Einigung zu kommen", heißt es in dem Dokument. Das UN-Gremium lege auf eine "von Haiti bestimmte Lösung" Wert, damit die Menschen in dem verarmten Karibikstaat ihre eigenen Repräsentanten in freien, fairen und transparenten Wahlen bestimmen könnten.