Rechte von schwangeren Frauen in Kolumbien unzureichend geschützt

Bilanz zehn Jahre nach Urteil des Verfassungsgerichtes: Nur ein Prozent der jährlichen Abtreibungen werden legal durchgeführt. Gefahr für die Gesundheit der Frauen

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Kampagne in Kolumbien für die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs: "Die Frauen entscheiden. die Gesellschaft respektiert, der Staat garantiert"
Kampagne in Kolumbien für die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs: "Die Frauen entscheiden. die Gesellschaft respektiert, der Staat garantiert"

Bogotá. Auch zehn Jahre nach einem höchstinstanzlichen Urteil über Schwangerschaftsabbrüche in Kolumbien werden die Rechte von Frauen unzureichend geschützt. Am 10. Mai 2006 hatte das Verfassungsgericht in Bogotá entschieden, dass Schwangerschaftsabbrüche in Ausnahmefällen erlaubt sein müssen. Bei der Umsetzung aber hapert es nach wie vor. Der Zugang betroffener Frauen zu medizinischer Hilfe ist stark erschwert und die freiwillige Abtreibung steht noch immer unter Strafe. Nach dem Urteil dürfen Abtreibungen legal durchgeführt werden, wenn ein Gesundheitsrisiko für die Frau besteht, bei Missbildungen des Fötus und bei Schwangerschaft infolge Vergewaltigung oder Inzest.

Das Urteil ist jedoch zu wenig umfassend und seine Umsetzung ungenügend. Gemäß einer Studie des Guttmacher Institutes von 2011 kommt es in Kolumbien jährlich zu schätzungsweise 400.412 Abtreibungen. Nur knapp ein Prozent davon sind gemäß dem Urteil des Verfassungsgerichts legal, die restlichen 99 Prozent geschehen außerhalb des gesetzlichen Rahmens mit erhöhtem Gesundheitsrisiko für die Frauen. Das Menschenrecht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit einschließlich Abtreibung ist in Kolumbien daher nur unzureichend geschützt.

Das Urteil ermöglicht den betroffenen Frauen zwar den Zugang zu Unterstützungsleistungen des Sozialsystems, eine adäquate medizinische Behandlung sowie Straffreiheit. In der Realität sind legale Schwangerschaftsabbrüche jedoch erschwert. Nach dem Urteilsspruch vor zehn Jahren war die große Herausforderung dessen Anwendung, vor allem der Zugang zu Unterstützungsleistungen im Gesundheitssystem sowie der Zugang zur effektiven medizinischen Behandlung bei einem Schwangerschaftsabbruch. Die Umsetzung des Urteils des Verfassungsgerichts wurde in den letzten Jahren jedoch vor allem durch religiöse Organisationen sowie konservative Beamte erschwert.

Zehn Jahre nach dem Urteils sehen sich Frauen in Kolumbien daher noch immer mit Hindernissen konfrontiert, wenn sie ihr Recht auf Selbstbestimmung einfordern wollen. So sind beispielsweise die Regelungen für den Zugang zum Gesundheitsdienst ungenügend und den Frauen fehlt es an Informationen über ihre Rechte und Möglichkeiten. Illegale, unsachgemäße Abtreibungen sind die Folge und stellen ein hohes Gesundheitsrisiko für die Frauen dar. Insbesondere für armutsbetroffene Frauen aus ländlichen Gebieten ist der Zugang zu medizinischer Behandlung bei Komplikationen nach einer Abtreibung unzureichend.

Befürworterinnen und Befürworter eines stärkeren Schutzes des Rechts auf Abtreibung fordern eine bessere Umsetzung des Urteils, unter anderem verbesserten Zugang zu medizinischer Behandlung, und die Legalisierung der freiwilligen Abtreibung in den ersten zwölften Schwangerschaftswochen. Frauenorganisationen wie Women's Link World Wide betonen die Bedeutung von Informations- und Präventionsarbeit. Die Gesellschaft müsse über legale Möglichkeiten von Schwangerschaftsabbruch Bescheid wissen. Auch die kolumbianischen Medien tragen eine Verantwortung, Frauen über ihre Möglichkeiten und Rechte zu informieren. Außerdem fehle es an Sexualaufklärung sowie Beratungsangeboten bezüglich Schwangerschaftsverhütung und Adoption.

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