Staatsanwalt in Paraguay fordert 40 Jahre Haft für Bauernführer

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Marsch für Menschenrechte, Asunción (2012)
Seit vier Jahren fordern die Angehörigen der ermordeten Bauern von Curuguaty eine lückenlose Aufklärung

Asunción. Im laufenden Prozess um das Massaker von Curuguaty in Paraguay hat die Staatsanwaltschaft vierzig Jahre Haft für den Anführer der Bauern, Rubén Villalba, gefordert. Villalba wird vorgeworfen, die Kleinbauern und Landlosen als kriminelle Vereinigung angeführt und das Feuer auf die Polizisten eröffnet zu haben. Dies macht ihn aus Sicht der Staatsanwaltschaft zum Hauptschuldigen für die sechs in der Auseinandersetzung getöteten Polizisten. Neben ihm sind zehn weitere Bauern des Mordes an den Polizisten angeklagt.

Am 15. Juni 2012 hatte eine Gruppe von fünfzig bis siebzig Kleinbauern das Grundstück Campus Morombí besetzt. Es gehört zu einem 2.500 Hektar großen Stück Land, das im Familienbesitz des inzwischen verstorbenen Politiker Blas Riquelme ist. Der konservative Ex-Senator der Colorado-Partei und ehemalige Chef von Paraguays Handelskammerder bekam es während der Diktatur unter Alfredo Stroessner (1954 bis 1989) von der Regierung geschenkt. Die Familie besitzt keine Landtitel dafür. Die Bauern protestierten mit ihrer Aktion für eine Einbeziehung der Ländereien in die Agrarreform, denn das unrechtmäßig erworbene Land sei öffentliches Eigentum. Riquelme hatte die Polizei gerufen, mehrere Hundertschaften waren angerückt, um die Besetzung aufzulösen. Dabei kam es zu einer gewaltvollen Auseinandersetzung, bei der elf Landarbeiter und sechs Polizisten ums Leben kamen. Der linksgerichtete Präsident Fernando Lugo wurde für die Vorfälle verantwortlich gemacht und nur wenig später von der rechtsgerichteten Parlamentsmehrheit in einem Eilverfahren abgesetzt. Kritiker bezeichnen die Vorgänge als parlamentarischen Putsch.

Staatsanwalt Nelson Ruiz fordert vom Gericht nun eine "beispielhafte Urteilssprechung". Sie solle zur Abschreckung dienen, damit andere Bauern vom Mittel der Landbesetzung in Zukunft absehen. Für ihn "bestehen keine Zweifel, dass die Angeklagten Rubén Villalba und Luis Olmedo mit ihren Waffen das Feuer gegen die unbewaffneten Polizisten eröffnet hatten, welche sich friedvoll und mit erhobenen Händen genähert hatten".

Das juristische Verfahren um die Ereignisse steht seit Beginn unter internationaler Kritik, da die Morde an den Bauern von offizieller Seite komplett ignoriert und bisher nicht aufgeklärt wurden. So fordert unter anderem der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen seit Jahren eine unabhängige Untersuchung.

Die Angehörigen der elf getöteten Bauern prangern deshalb an, dass sich der Prozess nur auf die Toten auf Seiten der Polizei bezieht. Unterstützt werden die Hinterbliebenen in dieser Kritik durch verschieden Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty International sowie die Parlamentsabgeordneten Aldo Vera und Rocío Casco von der Partei Bewegung zum Sozialismus (P-MAS) und der parteilosen Olga Ferreira. Die Schwester der getöteten Bauern Fermín und Luis Paredes, Martina Paredes, hat in einem Interview mit DemoInfo verlauten lassen, dass die offizielle Version der Geschehnisse unmöglich und die Bauern unschuldig seien. Die Polizisten waren durch Großkaliberwaffen getötet worden. Derartige Waffen besaßen die Bauern nicht, so Paredes.