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De-facto-Regierung in Brasilien ordnet Ende des staatlichen TV-Senders an

Öffentlicher Fernsehsender fällt Kürzungen zum Opfer. Neuwahlen zur Präsidentschaft gelten als juristisch ausgeschlossen

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Ricardo Melo (rechts), Präsident der EBC, stellte sich in einer Anhörung im Abgeordnetenhaus gegen die Schließung von TV Brasil
Ricardo Melo (rechts), Präsident der EBC, stellte sich in einer Anhörung im Abgeordnetenhaus gegen die Schließung von TV Brasil

Brasília. Im Rahmen der Kürzungspolitik hat der brasilianische Interims-Präsident, Michel Temer, die Schließung des öffentlichen Fernsehkanals TV Brasil angeordnet. Der Regierungschef begründete die Entscheidung mit zu geringen Einschaltquoten des Senders. Temer kündigte außerdem an, dem Kongress ein Gesetz vorzulegen, das die Zuwendungen für das staatliche Kommunikationsunternehmen Empresa Brasil de Comunicação (EBC) kürzen soll.

Der Präsident der EBC, Ricardo Melo, kritisierte den Entschluss der Regierung. Einschaltquoten dürften nicht als Argument herangezogen werden, um strukturelle Änderungen in der Nachrichtenagentur durchzusetzen. Dies reduziere die Frage der öffentlichen Kommunikation auf eine Frage des Marktes in ihrer brutalsten Form. "Das ist das Gleiche wie zu behaupten, eine Krankenstation müsse geschlossen werden, weil sie nur Kosten verursache. Das ist ein Rückschritt um Jahrzehnte", so Melo.

Die Koordinatorin des Nationalen Forums für die Demokratisierung der Kommunikation in Brasilien, Renata Mielli, erklärte, "der Wert der öffentlichen Kommunikation ist größer als der jeder Regierung, die gerade dran ist". Sie erinnerte, dass das Projekt der EBC erst acht Jahre alt sei und damit noch immer im Aufbau. Es sollte die Medienlandschaft vielseitiger und von der Dominanz privater Medien unabhängiger machen, so EBC-Beiratsmitglied Lalo Leal. Das Unternehmen verwaltet neben TV Brasil noch einen weiteren Fernsehsender, mehrere Radiostationen sowie eine Nachrichtenagentur.

Mit den Kürzungen will Temer neben den Einsparungen von Kosten, mehr Kontrolle über das öffentliche Nachrichtenwesen erreichen. Er hatte bereits versucht, den unter Präsidentin Dilma Rousseff eingesetzten Melo im Amt zu ersetzen, doch wurde die Entscheidung vom Obersten Gerichtshof rückgängig gemacht. Das Gesetz zur Reform der EBC sieht weiter die Auflösung des 22-köpfigen Beirats aus unabhängigen Mitgliedern vor.

Die Stilllegung von TV Brasil fügt sich dabei in breit angelegte Umstrukturierungen der öffentlichen Verwaltungen seitens der Übergangsregierung aus Neoliberalen und Konservativen ein. Ginge es nach dem führenden Mitglied der neoliberalen Partido da Social Democracia Brasileira und Gouverneur des Bundesstaates São Paulo, Geraldo Alckmin, sollten alle öffentlich finanzierten Nachrichtensender, die er abwertend als "Lula-TV" bezeichnete, geschlossen werden. Darüber hinaus fordert Alckmin eine umfassende Verwaltungsreform in Brasilien.

Zeit für weitere Entschlüsse bleibt mindestens bis Ende August. Dann wird der Senat abschließend über die Amtsenthebung von Präsidentin Rousseff entscheiden. Sie sprach sich zuletzt wiederholt für eine Volksbefragung zu Neuwahlen aus, sollte sie durch den Senat abgesetzt werden.

Mitglieder der derzeitigen Regierungsparteien kritisierten diesen Vorschlag als "nicht verfassungskonform“. Alckmin wandte ein, dass für den Fall der Amtsenthebung laut Verfassung kein Plebiszit vorgesehen sei. "Die einzige Möglichkeit von Neuwahlen ist, wenn beide – Präsident und Vize - zurücktreten oder das Oberste Wahlgericht die Wahl anfechten würde." Vor dem Obersten Bundesgericht hätten Neuwahlen keine Chance, so Alckmin. Zuletzt sprach sich Temer öffentlich gegen eine Volksbefragung sowie gegen Neuwahlen aus. Diese seien für die Präsidentin ohnehin nicht sinnvoll, da Rousseff diese nicht gewinnen würde, gab sich Temer selbstsicher.