Grenze zwischen Venezuela und Kolumbien für einen Tag geöffnet

Nach ungenehmigtem Grenzübertritt von Regierungsgegnerinnen ordnet Präsident Maduro eintägige Öffnung an. Bevölkerung nutzt Gelegenheit für Einkäufe

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Am Grenzübergang nach Kolumbien, der am 10. Juli für einen Tag geöffnet war
Am Grenzübergang nach Kolumbien, der am 10. Juli für einen Tag geöffnet war

San Antonio del Táchira/Cúcuta. Venezuela und Kolumbien haben am Sonntag die Grenze der Bundesstaaten Táchira (Venezuela) und Norte de Santander (Kolumbien) an einem Fußgängerübergang für einen Tag geöffnet. Die Grenze der Nachbarländer ist auf venezolanischer Seite seit August 2015 auf Anordnung von Präsident Nicolás Maduro geschlossen worden. Begründet hatte er den Schritt mit Warenschmuggel sowie dem Eindringen von kolumbianischen Paramilitärs in venezolanisches Territorium. Auch Kolumbien hält seine Grenze gegenüber Venezuela geschlossen.

Bereits seit Mai gibt es Gespräche zwischen Vertretern beider Länder über eine Grenzöffnung. Ein Protestmarsch von etwa 500 venezolanischen Frauen, die vergangen Dienstag ungenehmigt die Grenze überquerten, um im benachbarten Cúcuta einzukaufen, ging der kurzzeitigen Öffnung von Sonntag voraus und könnte diesen Prozess nun beschleunigen.

Die weiß gekleideten Frauen bezogen sich in ihrem Protest auf Lilian Tintori, Ehefrau des inhaftierten Oppositionspolitikers Leopoldo López, der eine knapp 14-jährige Haftstrafe wegen Aufhetzung zur Gewalt, Beschädigung von Privateigentum, Brandstiftung und Bildung einer kriminellen Vereinigung absitzt. Tintori sagte in einem Interview mit dem venezolanischen Sender Globovision, die Regierung müsse einen "humanitären Kanal" öffnen, um Nahrung und Medikamente aus Kolumbien ins Land zu lassen. Sie sprach von "Hunger und Verzweiflung" der Bevölkerung. José Vielma Mora, Gouverneur von Táchira, beschuldigte die Oppositionsparteien, durch den Grenzübertritt der Frauen Chaos stiften zu wollen.

Internationale Medien hatten breit über die Einkaufstour der Frauen berichtet. Die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit"zitierte eine der Protestestierenden, in Venezuela gebe es nichts zu essen: "Wir verhungern, wir sind verzweifelt." Raiza Silva von der Oppositionspartei Primero Justicia und Mit-Organisatorin der Aktion, erklärte, "eine Änderung des gescheiterten politischen und ökonomischen Modells" sei unumgänglich.

In Venezuela sind derzeit viele Grundnahrungsmittel ‒ vor allem Maismehl, Bohnen, Reis, Zucker und Speiseöl ‒ aber auch wichtige Medikamente oftmals nur noch auf dem Schwarzmarkt zu Höchstpreisen erhältlich. Auf lokalen Märkten gibt es Gemüse und Obst allerdings in großen Mengen zu kaufen. Sie unterliegen aufgrund der hohen Inflation ebenfalls einer starken Teuerung, sind aber dennoch deutlich günstiger als die oben genannten Artikel. Dass es sich bei den Frauen von Dienstag tatsächlich um hungernde Venezolanerinnen handelte, erscheint angesichts der kolumbianischen Nahrungsmittelpreise und der Reisekosten für den Grenzübertritt als unwahrscheinlich. Vielma Mora betonte, allein der Transport auf venezolanischer seite bis zur Grenze koste 7.000 Bolívares, knapp die Hälfte eines monatlichen Mindesteinkommens.

Einem möglichen weiteren ungenehmigten Grenzübertritt kam die Regierung mit der Öffnung von Sonntag nun zuvor. Maduro hatte sie angeordnet und erklärt, es solle "nicht einen Verletzten, keinen Toten, keine Show geben", so Gouverneur Vielma Mora. Etwa 35.000 Venezolaner nutzten daraufhin die kurzzeitige Grenzöffnung, um Einkäufe in Cúcuta zu tätigen. Unter den Hashtags #FronteraLibre und #AperturaFrontera teilten Twitter-Nutzer Kommentare, Fotos und Videos über ihren Einkauf in Kolumbien. Einer von ihnen bemerkte: "Überraschung! Venezolaner kaufen Pesos und dann stellen sie fest, dass viele Preise denen des Wiederverkaufswerts [der Produkte in Venezuela] entsprechen."

Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos kündigte indes weitere Gespräche mit Maduro über eine künftige Grenzöffnung an. Sie müsse "verantwortungsvoll und organisiert" ablaufen, "unter keinen Umständen dürfen die erreichten Fortschritte im Kampf gegen den Schmuggel und Illegalität rückgängig gemacht werden", so Santos.

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