Brasilien / Politik

Staatsanwalt in Brasilien entlastet Rousseff, knappes Votum im Senat

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Rousseff und Lula bei der Amtseinführung: Können beide das Ruder noch einmal herumreißen?
Rousseff und Lula bei der Amtseinführung: Können beide das Ruder noch einmal herumreißen?

Brasília. Knapp zwei Wochen vor der ersten Abstimmung des Senats über die Amtsenthebung der gewählten Präsidentin Dilma Rousseff liegen die Gegner der linksgerichteten Präsidentin offenbar nur noch knapp in Führung. Nach Ansicht des ehemaligen Staatschefs Luiz Inácio Lula da Silva, der ebenso wie Rousseff der linksgerichteten Arbeiterpartei (PT) angehört, wird die Abstimmung von sechs Stimmen abhängen. Es sei "einfacher denn je, die Amtsenthebung abzuwenden", so da Silva.

Rousseff wird vorgeworfen, in unzulässiger Weise in den Staatshaushalt eingegriffen zu haben. So sollen Zahlungen an mehrere staatliche Banken und einen Agrarsubventionsfonds zurückgehalten worden sein. Rousseffs Gegner interpretieren diese Handlungen als Erschleichen von Krediten. Nach bisherigen Erkenntnissen hat die Regierung Rousseff systematisch Zahlungen an staatliche Kreditinstitute verzögert, um im Wahljahr Ressourcen für laufende Sozialprogramme zur Verfügung zu haben.

Ein mit der Prüfung des Falls beauftragter Staatsanwalt hat nun ausgeschlossen, dass es sich bei den Vorwürfen gegen Rousseff um justiziable Delikte handelt, die vor einem ordentlichen Gericht zu einer Verurteilung führen würden. Staatsanwalt Cláudio Marx trat damit der Mehrheit in Abgeordnetenhaus und Senat entgegen, die Rousseff für maximal 180 Tage ihres Amtes enthoben hatte. Der Jurist konstatierte jedoch zugleich, dass Rousseff mit den strittigen finanzpolitischen Maßnahmen "die Haushaltslage in Wahlkampfzeiten künstlich verbessert hat". Dies sei als "Machtmissbrauch" und "unredliche Regierungsführung" zu verurteilen. Dessen ungeachtet empfahl der Staatsanwalt, auch andere Anklagen gegen Rousseff wegen mutmaßlicher Haushaltsmanipulationen fallen zu lassen. Dabei geht es um Gelder für ein staatliches Wohnungsbauprogramm.

Unterdessen hat das Investigativ-Portal The Intercept Brasiliens größter Tageszeitung Folha de S Paulo "journalistischen Betrug" vorgeworfen. Dort ist eine neue Umfrage erschienen, die das Meinungsforschungsinstitut Datafolha im Auftrag des Blattes durchgeführt hat. Die Umfrage scheint die Führerschaft von De-facto-Präsident Michel Temer zu stützen: 50 Prozent sagen, dass er Präsident bleiben solle und nur 32 Prozent fordern Rousseffs Rückkehr, nur drei Prozent wünschten Neuwahlen.

Nachdem die vollständigen Angaben und die zugrunde liegenden Fragen veröffentlicht wurden, so die Autoren Glenn Greenwald und Erick Dau, werde "deutlich, dass 50 Prozent der Brasilianer nicht der Meinung sind, dass es das Beste für das Land sei, wenn Temer Dilmas Amtszeit bis zum Jahre 2018 weiter führe: Sie brachten nur zum Ausdruck, dass dies die beste Wahl sei, wenn Dilmas Rückkehr die einzige Alternative wäre. Darüber hinaus ist es schlicht und einfach nicht zutreffend, dass nur drei Prozent der Brasilianer Neuwahlen wünschten, da sie danach überhaupt nicht gefragt wurden."

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