Venezuela / Politik

Sozialisten in Venezuela gehen gegen Oppositionsbündnis vor

Linke werfen Opposition Betrug bei Unterschriftensammlung vor. Wahlrat soll MUD Zulassung entziehen. Ramos Allup: Regierung versucht, Referendum zu verhindern

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Rodríguez im Gespräch mit Medienvertretern vor dem CNE-Sitz in Caracas
Rodríguez im Gespräch mit Medienvertretern vor dem CNE-Sitz in Caracas

Caracas. Der Bürgermeister des Hauptstadtbezirks Libertador, Jorge Rodríguez, hat beim venezolanischen Wahlrat die Streichung des oppositionellen Bündnisses Tisch der Demokratischen Einheit (MUD) aus dem Wahlverzeichnis beantragt. Der MUD habe "einen gigantischen Wahlbetrug" begangen, erklärte Rodríguez zur Begründung. Das Gesuch reichte er im Namen der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) und des linken Wahlbündnisses Großer Patriotischer Pol ein.

Der MUD hatte im Mai beim Wahlrat 1.957.779 Unterschriften für die Einleitung eines Abwahlreferendums gegen Präsident Nicolás Maduro vorgelegt. Bei der ersten Überprüfung der Wahlscheine stellte der CNE massive Unregelmäßigkeiten fest: Über 600.000 Unterschriften wurden für ungültig erklärt, weil sie unvollständig, falsch oder doppelt aufgeführt waren oder weil die Personen nicht im Wahlregister eingetragen waren. Beim Obersten Gerichtshof ist diesbezüglich eine Klage anhängig. Auch haben mehr als 8.000 Einzelpersonen, deren Identitäten das Oppositionsbündnis ohne ihr Einverständnis benutzt haben soll, Anzeige erstattet.

Die Auszählung und Überprüfung der Wahlscheine wurde von 573 CNE-Mitarbeitern durchgeführt. Vertreter politischer Parteien und Nichtregierungsorganisationen waren als Zeugen zugegen, Rodríguez hatte als PSUV-Delegierter teilgenommen. "Es ist öffentlich, es ist bekannt und es ist eindeutig nachgewiesen, dass der MUD Wahlbetrug begangen hat", sagte er gegenüber Medienvertretern. Oppositionspolitiker wie der Gouverneur des Bundesstaates Miranda, Henrique Capriles, und MUD-Generalsekretär Jésus Torrealba hätten in den Sozialen Netzwerken erklärt, die Opposition habe die Unterschriftensammlung überwacht und sie sei "makellos" gewesen. Die Kommission habe jedoch "53 658 sehr schwere Verstöße" festgestellt. Unter anderem waren 10.995 Verstorbene aufgeführt. Auch 9.333 gefälschte Personalausweisnummern wurden nachgewiesen. Der CNE solle dem MUD daher die Zulassung als politische Organisation entziehen und das Oppositionsbündnis aus dem Wahlverzeichnis streichen, so Rodríguez.

"Das ist Angst und die Anerkennung dessen, dass sie das Bündnis nicht besiegen können", kommentierte MUD-Generalsekretär Jésus Torrealba den Antrag. Die Opposition habe bei den Parlamentswahlen die meisten Stimmen in der Geschichte der Wahlen des Landes erzielt. Noch in diesem Jahr werde es einen "Wandel" geben "und damit dieser friedlich ist, wird er über das Abwahlreferendum 2016 laufen". Torrealba schloss aus, dass dem MUD der Status als politische Organisation entzogen wird: Damit würde die Regierung "den Tisch umwerfen", die Politik und den Anschein von Demokratie aufgeben. Ein solches Szenario "vom Typ Nordkorea und Kuba" gebe es in Venezuela nicht. Parlamentspräsident Henry Ramos Allup warf der Regierung vor, "alle Tricks, ihren Wahlrat, ihr Oberstes Gericht, ihre zivilen und militärischen Repressionskräfte zu nutzen", um zu versuchen, das Referendum zu verhindern.

Einer der CNE-Vorsitzenden, Luis Emilio Rondón, bestätigte indes den Erhalt des Gesuches, das nun angemessen bearbeitet werde. Dies könne kein "Schnellverfahren" sein, es gehe hier "um politische Organisationen und um eine sehr wichtige", gegen die aus wahlrechtlicher Sicht bislang nichts vorliege.

In Venezuela kann laut Verfassung jeder Mandatsträger nach der Hälfte seiner Amtszeit per Volksabstimmung abgewählt werden. Ein beim Wahlrat zugelassenes Bündnis oder eine Partei muss zunächst die Zustimmung von einem Prozent der Wahlberechtigten erreichen. Bestätigt der CNE die Gültigkeit, müssen im nächsten Schritt die Unterschriften von 20 Prozent, rund vier Millionen, der Wahlberechtigten eingeholt werden, damit das Referendum durchgeführt wird. Dann muss eine gleiche oder höhere Zahl von Wählern für eine Absetzung stimmen, mit der der Präsident zuletzt gewählt wurde.

Sollte das Referendum erst nach Januar 2017 stattfinden und erfolgreich sein, übernähme Maduros Stellvertreter das Amt. Laut Verfassung bleibt der Vizepräsident bis zum Ende der Wahlperiode im Amt, falls der Präsident zwei Jahre oder weniger vor Ende seines Mandates abgewählt wird. Gelänge es der Opposition, Maduro mittels Volksabstimmung im Jahr 2016 abzusetzen, käme es zu Neuwahlen.

Würde der CNE dem Gesuch der Sozialisten stattgeben, könnte der MUD das von ihm in Gang gesetzte Abwahlreferendum gegen Maduro in der Form nicht weiter verfolgen.

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