Kolumbien / Politik

Volksbefragung in Kolumbien wird gerichtlich angefochten

Während Abstimmung herrschte in fünf Departments wegen Hurrikan Ausnahmezustand. Freier Zugang zu den Urnen war nicht gewährleistet

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Plakat der "Ja"-Kampagne in Kolumbien
Plakat der "Ja"-Kampagne in Kolumbien

Bogotá. Die Auswirkungen des Hurrikans Matthew könnten in Kolumbien politische Folgen haben: Juristen wollen das Ergebnis einer Volksabstimmung über das Friedensabkommen mit der Guerillaorganisation Farc anfechten, weil der Wirbelsturm vielen Bürgern eine Teilnahme an dem Plebiszit ihrer Meinung nach unmöglich machte. Bei der Abstimmung war das Friedensabkommen bei einer sehr geringen Beteiligung von nur 37 Prozent mit knapper Mehrheit abgelehnt worden.

Schon am Tag des Urnengangs hatten einige Gouverneure der kolumbianischen Karibik-Departements darum gebeten, die Öffnungszeiten der Wahllokale zu verlängern. Ein großer Teil der Bevölkerung habe sich aufgrund der schweren Auswirkungen des Hurrikans nicht aus dem Haus getraut. Die Situation war stundenlang unsicher, wenn nicht sogar lebensgefährlich. Doch die Wahlbehörde hatte die Bitten negativ beschieden. Gerade in diesem Teil des Landes waren die Ja-Stimmen in den Umfragen besonders hoch gewesen. Der überraschende Ausgang der Abstimmung mit einem äußerst knappen Sieg des "Nein" kontrastiert stark mit Umfrageergebnissen, die den "Ja" Stimmen einen bedeutenden Vorsprung gaben.

Rechtsanwalt Hermann Gustavo Garrido Prada hat beim kolumbianischen Staatsrat daher eine Klage gegen den Verwaltungsakt der Volksabstimmung eingereicht. Das Ergebnis des Urnengangs vom vergangenen Sonntag soll nicht anerkannt werden. Er führt an, dass es beim Abstimmungsprozess in den Küstendepartments und im Verwaltungsbezirk Cesar bedeutende Unstimmigkeiten gegeben habe. Richter Alberto Yepes nahm die Klage entgegen.

Nach Meinung des Juristen herrschte an den Vortagen der Volksabstimmung und am Stichtag des 2. Oktober ein besonderes Klimaphänomen. Der Hurrikan Matthew hat vor allem die Departments La Guajira, Magdalena, Cesar, Córdoba, Bolívar, Sucre, San Andrés, Providencia und Atlántico, heimgesucht. Auch das Zentrum und der Norden der Anden- und Pazifikregion Kolumbiens wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen.

"Die Naturkatastrophe hat dort eine Situation geschaffen, die in dem juristischen Begriff der höheren Gewalt gefasst ist", so Garrido. Und weiter: "Sie hatte den Charakter eines unvorhersehbaren und außergewöhnlichen Ereignisses mit unvermeidbarer Gewalteinwirkung. Das Ergebnis der Volksabstimmung für den Frieden wurde dadurch ohne Zweifel beeinflusst. Das Recht auf eine freie, ungehinderte Stimmabgabe war nicht mehr garantiert. Der Wählerwille eines bedeutenden Teils der Gesamtbevölkerung kommt deshalb im Endergebnis der Abstimmung nicht zum Ausdruck." Er beantragte, "den Verwaltungsakt des Wahlvorganges in den Departments der kolumbianischen Karibikküste La Guajira, Magdalena, Cesar, Córdoba, Bolívar, Sucre, San Andrés,  Providencia und Atlántico für ungültig zu erklären".

Der Jurist schließt seine Klage mit den Worten ab: "Ich beantrage, die Volksabstimmung in diesen Departments zu wiederholen. Ein neuer Verwaltungsakt soll die dann abgegebenen Stimmen anerkennen und mit den Ergebnissen des 2. Oktober in den anderen Departments zusammenfassen. Danach müssen die Stimmenmehrheit, die unterlegenen Stimmen und die Wahlbeteiligung insgesamt neu errechnet werden."

Zusammen mit der Klage formulierte der Rechtsanwalt eine Petition: Die juristischen und institutionellen Auswirkungen der angezweifelten   Abstimmungsergebnisse sollen vorläufig auf Eis gelegt werden. Die Ergebnisse führten zu politischen und gesellschaftlichen Problemen, argumentiert er. Die Gegner des Friedensabkommens hätten sich durchgesetzt, obwohl das "Ja" vor dem Urnengang einen hohen Prozentsatz an Stimmenvorsprung besaß. "Im Ergebnis erscheint es daher nicht überzeugend, dass schließlich das von der Regierung und den Farc unterzeichnete Friedensabkommen verloren hat", urteilt Garrido.

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