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Bildungsreform in Mexiko fördert Ungleichheit

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Protest gegen Bildungsreform am 6. Juli in Mexiko-Stadt: "Öffentliche Bildung ist nicht verhandelbar, sie ist ein Recht unserer Kinder"
Protest gegen Bildungsreform am 6. Juli in Mexiko-Stadt: "Öffentliche Bildung ist nicht verhandelbar, sie ist ein Recht unserer Kinder"

Mexiko-Stadt. Die geplante Bildungsreform in Mexiko birgt laut Experten aus Wissenschaft und Bildung große Nachteile für Schüler in abgelegenen und von hoher Armut geprägten Regionen. "Gleichheit in der Ungleichheit führt nur zu mehr Ungleichheit", fasst Manuel Gil Antón von der Lehrinstitution Colmex (Colegio de México) zusammen, um auf die Mängel der Reform aufmerksam zu machen.

Laut dem letzten Zensus im Jahr 2010 haben 16,4 von 74 Millionen Mexikanern im Alter von 15 bis 64 nicht die Mittelstufe abgeschlossen und rund zehn Millionen die Grundschule nicht beendet. Es handelt sich dabei um fast 20 Prozent dieser Altersklasse, die trotz Schulpflicht über kaum Bildung verfügen. Gil führt aus, dass es sich dabei um Menschen handelt, die in Armut oder gar in extremer Armut leben. Aufgrund fehlender aktueller Statistiken repräsentieren die Zahlen zwar nicht die aktuelle Situation, verdeutlichen jedoch, dass eine Bildungsreform, die im Kern auf ein Bewertungssystem und damit auf Kontrolle der Lehrer setzt, die grundlegende Ungleichheit bereits beim Zugang zu Bildung nicht beheben kann.

Vertreter der regierungskritischen Lehrergewerkschaft Nationale Koordination für Bildungsarbeiter (CNTE), die in den ländlichen Regionen im Südwesen Mexikos den meisten Rückhalt erfährt, kritisieren daher insbesondere, dass die Reform auf dem Maßstab städtischer Einrichtungen aufbaut und abweichende Realitäten, die andere Bedingungen fordern, ignoriert. Entsprechend ist ein zentraler Kritikpunkt der CNTE, dass eine Bildungsreform ohne die Beteiligung von Pädagogen, Eltern und Schülern nicht denkbar sei.

Indessen wird die Strategie der Regierung anhand der im Zuge der Reform eingeführten Evaluierungen aller Lehrkräfte besonders deutlich. Tatiana Coll, Soziologin und Professorin an der Nationalen Universität für Pädagogik, unterstreicht, dass Lehrer dadurch systematisch auf einen bestimmten Bildungsstil eingestimmt werden, der wichtige pädagogische Qualifikationen außer Acht lässt und allein Fachwissen in den Fokus stellt. Um Kindern und Jugendlichen umfassende Fähigkeiten näher zu bringen, sei allerdings nicht nur die Vermittlung faktischen Wissens vonnöten, sondern auch eine entsprechenede Betreuung. Hinzu kommt, dass Pädagogen ihre Lehrerlaubnis verlieren können, wenn sie die alle zwei Jahre stattfindende Prüfung nicht bestehen. Der Druck, sich dem einseitigen Bildungsplan anzupassen werde damit zusätzlich erhöht.

Desweiteren hält Coll das Bewertungsverfahren allgemein für sehr intransparent. Denn wie und von wem die Prüfungen ausgewertet werden, wurde von der Regierung auch mehrere Monate nach der ersten Bewertungsphase nicht offengelegt. Coll wirft daher die Fragen auf: "Welche Prüfer bewerten die Geprüften?" und "Nach welchen Maßstäben und wie wurden sie ausgewählt?" Damit benennt die Soziologin nur eine von vielen Kritikpunkten, die schließlich den Vorwurf der fehlenden Transparenz bekräftigen.

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