Anhaltender Protest von Schülern und Studenten in Brasilien

Widerstand gegen Reformen "von oben" und Kürzungen. Über 1.000 Schulen besetzt. Verletzte bei Räumungen durch Polizei. De-facto-Regierung verweigert Dialog

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Eine von über 1.000 besetzten Schulen in Brasilien
Eine von über 1.000 besetzten Schulen in Brasilien

Brasília. Die Reformen und geplanten Einsparungen der De-facto-Regierung unter Präsident Michel Temer im Bildungsbereich stoßen in Brasilien auf immer mehr Widerstand. Für den heutigen Freitag haben Schüler, Studenten und Gewerkschaften erneut einen landesweiten Aktionstag gegen den Sozial- und Bildungsabbau angekündigt.

Über 1.000 staatliche Schulen und 171 höhere Bildungseinrichtungen im ganzen Land sind besetzt. Die Schüler- und Studentenbewegung setzt sich für eine "kostenlose öffentliche Bildung von hoher Qualität für alle" ein und wird dabei auch von Gewerkschaften unterstützt. Die Besetzer führen den Unterricht selbständig weiter und bringen auf Versammlungen und Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern ihre Forderungen zum Ausdruck.

Dabei geht es vor allem um eine Neuausrichtung der Bildungspolitik unter Einbeziehung der Schüler und Studenten sowie des Lehrpersonals. Die Reform der Regierung Temer soll ohne jegliche gesellschaftliche Debatte durchgesetzt werden. Eine unter dem Motto "Schule ohne Partei" betriebene Entpolitisierung der geisteswissenschaftlichen Fächer lehnen die Aktivisten ebenso ab wie die Pläne zu einem "flexiblen" Einsatz der Lehrer. Ihr Widerstand richtet sich auch gegen den aktuell diskutierten Verfassungszusatz PEC 241, mit dem der Staatshaushalt für 20 Jahre eingefroren werden soll. Kritiker schätzen, dass PEC 241 Einschnitte von bis zu 40 Prozent in den Bereichen Gesundheit und Bildung bedeuten sowie Kürzungen der Sozialprogramme und eine Verringerung des Mindestlohns zur Folge haben könnte. Demnach seien es die ärmsten Teile der Bevölkerung, die am stärksten von den Haushaltseinschränkungen betroffen sein werden. Der Nationale Bildungsplan von 2014 zur Schaffung von Millionen Schul- und Hochschulplätzen, zur Bekämpfung des Analphabetismus und zur Verbesserung der Qualität des Unterrichts ist bereits hinfällig.

Die Regierung verweigert sich der Diskussion mit den Protestierenden. Bei Räumungen von Schulen durch die Militärpolizei unter Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen wurden mehrere Jugendliche verletzt und festgenommen. Bildungsminister Mendonça Filho möchte die Nationale Studentenunion, die Union der Oberschüler und die Union der Sozialistischen Jugend (UJS) wegen "Anstiftung zu den Besetzungen" auf über vier Millionen Euro Schadenersatz verklagen, weil Prüfungen neu angesetzt werden müssten. Die Proteste bezeichnete er als das Werk einer "kleinen manipulativen Gruppe".

Brasilien gibt pro Kopf nur einen Bruchteil dessen für Bildung aus, was die entwickelten Industrienationen aufwenden. Zwar wurden unter den Regierungen der Arbeiterpartei (PT) Schulen gebaut und neue öffentliche Hochschulen geschaffen, auch bekamen nicht privilegierte Teile der Bevölkerung Zugang zu höherer Bildung. Viele Probleme blieben jedoch ungelöst. Das Unterrichtsniveau ist oft niedrig, die Gebühren der privaten Schulen und Hochschulen sind hoch.

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