Bolivien / Politik

Hunderte profitieren von Amnestiegesetz in Bolivien

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Auch das San-Pedro-Gefängnis in La Paz ist überfüllt
Auch das San-Pedro-Gefängnis in La Paz ist überfüllt

La Paz/Cochabamba. Boliviens Präsident Evo Morales hat auf einer Pressekonferenz in Cochabamba ein Dekret zur Begnadigung und Amnestierung von hunderten Gefängnisinsassen unterzeichnet. Laut Innenminister Carlos Romero profitieren davon rund 1.700 Häftlinge in über 64 Gefängnissen des Landes. Insgesamt zähle Bolivien fast 15.000 inhaftierte Personen, davon zwei Drittel in Untersuchungshaft ohne ein reguläres Urteil. Der Straferlass soll auf Beschuldigte für leichte Delikte ohne rechtskräftiges Urteil angewendet werden, die Opfer juristischer Verzögerung sind und sich aus Mangel an finanziellen Mitteln keinen Strafverteidiger leisten können. Das Dekret erhält seine Gültigkeit für ein Jahr, sobald es vom Parlament bestätigt wird.

Morales begründete die Entscheidung damit, dass laut Verfassung und der bestehenden Gesetze jeder Mensch, der seiner Freiheit beraubt ist, ein Recht auf soziale Wiedereingliederung habe. Das neue Dekret gehe auf die Initiative des Ombudsmanns für die Bevölkerung (Defensor del Pueblo), David Tezanos, zurück, dessen Institution im Juni 2016 über schwerwiegende Probleme in den Haftanstalten wegen Überbelegung von bis zu 300 Prozent, Gewalt und Unsicherheit berichtete.

Im Detail umfasst das Dekret drei Formen von Straferlässen: eine komplette Begnadigung oder eine teilweise Strafmilderung für bereits Verurteilte mit einem Strafmaß von weniger als zehn Jahren sowie Amnestien für Senioren, schwangere Frauen und Frauen mit Kindern, Menschen mit Behinderung oder Krankheiten im Endstadium und Jugendliche unter 28 Jahren in Untersuchungshaft, deren vorgesehene Strafen bis zu fünf Jahren betragen und die keine Wiederholungstäter sind. Noch nicht verurteilte Häftlinge, die für mehrere Straftaten angeklagt sind und bereits mehr Haftzeit verbüßen als für das angeblich schlimmste von ihnen begangene Verbrechen vorgesehen, können ebenfalls auf freien Fuß gesetzt werden.

Menschen, die diese Konditionen erfüllen, müssen ihre Dokumente der Gefängnisverwaltungsbehörde vorlegen. Die dafür zuständige Kommission müsse jeden einzelnen Fall prüfen und gegebenenfalls vor der zuständigen richterlichen Instanz die Freilassung der Person erwirken. Das bolivianische Staatsoberhaupt forderte die Richter und Gesetzgeber dazu auf, den in Frage kommenden Inhaftierten bei den Verfahren beizustehen, da viele Gefängnisinsassen Schwierigkeiten beim Zugang zur notwendigen Rechtshilfe hätten. Nicht in den Genuss der Regelung kommen Häftlinge, die wegen Mord und Totschlag, Vergewaltigung, gewalttätigen Raubüberfall, Entführung, Drogendelikten, öffentlicher Korruption und häuslicher Gewalt im Gefängnis einsitzen.

Präsident Morales hatte bereits während der letzten vier Jahre drei Verordnungen für Strafmilderungen und Amnestien für Häftlinge mit geringem Strafmaß erlassen. Davon profitierten laut Angaben der Gefängnisbehörde seit 2013 fast 4.500 Inhaftierte. Der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation WOLA zufolge hat Bolivien eine der höchsten Quoten an Inhaftierten ohne rechtskräftiges Urteil in ganz Lateinamerika. Die Strafrechtsreformen und Straferlässe hätten jedoch zu einer schrittweisen Verbesserung der Lage beigetragen, weil die Ziffer der Inhaftierten ohne Urteil von 85 Prozent im Jahr 2012 auf 68 Prozent im Jahr 2016 zurückgegangen sei.

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