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Mehrheit der staatlichen Arbeitskräfte in Chile ohne regulären Arbeitsvertrag

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Die Mehrzahl der Staatsbediensteten in Chile arbeitet als Honorarkräfte
Die Mehrzahl der Staatsbediensteten in Chile arbeitet als Honorarkräfte

Santiago. In Chile arbeiten derzeit 305.000 Personen als Honorarkräfte im öffentlichen Dienst, die Mehrzahl der Staatsbediensteten werden weder verbeamtet noch angestellt. Sie haben keine Jobsicherheit und müssen privat für ihre Renten- und Krankenversicherung sorgen.

Nach Ansicht von Experten ist diese Konstellation auch problematisch, weil ein Teil der Betroffenen lange Zeit nicht in die Renten- und Gesundheitskassen eingezahlt hat. Ein Gesetz verpflichtet zwar alle Honorarkräfte des Landes seit 2015 eine Rentenversicherung abzuschließen. Ab 2018 soll zudem die Krankenversicherung obligatorisch werden. In der Praxis wird dieses Gesetz jedoch bisher nicht effektiv umgesetzt.

Über diese Versorgungslücke hinaus entbehrt diese Art von Beschäftigungsverhältnis einer legalen Grundlage, meint der Rechtsanwalt Giorgio Marino, der sich für die Rechte der als Honorarkräfte Beschäftigten einsetzt. Nach geltendem Arbeitsrecht sei es Arbeitgebern lediglich gestattet Honorarkräfte zu beschäftigen, wenn diese Gelegenheitsarbeiten von kurzer Dauer, ohne feste Arbeitszeiten und ohne Einbindung in die Betriebshierarchie erfüllten. In der Praxis werden sie jedoch insbesondere von staatlichen Institutionen dauerhaft in festen Positionen beschäftigt, ohne ihnen jedoch die Sicherheiten und Vorteile eines Arbeitsvertrages zu gewähren.

Kommt es diesbezüglich zu Rechtsstreitigkeiten, dann trägt das Risiko der Staat und damit der chilenische Steuerzahler, wie eine kürzliche Gerichtentscheidung deutlich machte. Gabriel Pineda (67), der 20 Jahre als Honorarkraft für eine Abteilung des Verkehrsministeriums arbeitete, wurde im November 2015 entlassen, ohne Rentenansprüche und Möglichkeit, seine Krankenversicherung zu bezahlen. Er verklagte daraufhin seinen ehemaligen Arbeitgeber und das Gericht gab ihm Recht. Es bewertete das Arbeitsverhältnis rückwirkend als gleichwertig zu einem normalen, unbefristeten, vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis und entschied, dass das Ministerium die Ansprüche, die ein Arbeiter mit einem solchen Arbeitsvertrag im Falle einer Kündigung geltend machen kann, zu leisten hat. Es urteilte zudem, dass das Beschäftigungsverhältnis illegal war. Insgesamt erhielt Pineda eine Ausgleichszahlung von umgerechnet über 256.500 Euro.

Marino erklärt weiter, dass Fälle wie dieser sich zu einem großen Problem für den Staat entwickeln können, wenn mehr als nur einzelne Personen ihren Anspruch auf Nachzahlung der ihnen zustehenden Zuzahlungen zur Kranken- und Rentenversicherung und Entschädigungszahlungen bei Kündigungen einfordern. Das oberste Gericht habe bereits in mindestens 60 Fällen zu Gunsten der Honorarkräfte entschieden und damit Entscheidungen von Arbeitsgerichten bestätigt. Die Rechtsprechung sei damit eindeutig auf Seiten der Honorarkräfte. Wenn diese die ihnen zustehenden Leistungen einfordern würden, käme nach einer Modellrechnung eine Summe von über 2,3 Milliarden Euro zusammen, zu der noch Zinsen und Strafzahlungen hinzuzurechnen wären. Es sei also höchste Zeit, dass der chilenische Staat die Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst modernisiert.

Marino betont, dass das derzeit größte Problem die Desinformation der Betroffenen bezüglich ihre Rechte sei. Er führt daher in Zusammenarbeit mit der "Vereinigung der im öffentlichen Dienst beschäftigten Honorarkräfte" eine Bildungskampagne durch, die die Arbeiter über ihre Rechte informieren und sie ermutigen soll, die Arbeitgeber auf die vom obersten Gericht zugesprochenen Rechte aufmerksam zu machen.

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