Nach Massaker: Weitere Tote in Gefängnissen in Brasilien

Gouverneurin von Bundesstaat Roraima: "Kann Sicherheit nicht garantieren". Justizminister kündigt Neuen Nationalen Sicherheitsplan an, De-facto-Regierung leugnet Verantwortung

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Häftlinge in Brasilien, hier ein Bild aus dem Jahr 2012
Häftlinge in Brasilien, hier ein Bild aus dem Jahr 2012

Brasília. Nur vier Tage nach einem Gefängnismassaker im brasilianischen Manaus mit 56 Toten sind in Boa Vista im Bundesstaat Roraima erneut 33 Gefängnisinsassen getötet worden. Maira Suely Silva Campos, Gouverneurin von Roraima, erklärte am Montag, sie könne "die physische Unversehrtheit" der 1.400 Häftlinge in Boa Vista nicht mehr garantieren. Sie beantragte die Unterstützung der nationalen Sicherheitskräfte sowie die Verlegung von acht Gefangenen des kriminellen Netzwerks Primeiro Comando da Capital (PCC). Eine weitere Sofortmaßnahme in Boa Vista ist die Aussetzung der Haftstrafe von 160 Strafgefangenen, die sich bereits im offenen Vollzug befanden. Dies wurde von den zuständigen Richtern angeordnet.

Campos forderte außerdem die sofortige Anweisung von 9,9 Millionen Reais (gut 2,9 Millionen Euro) aus Bundesmitteln, um den Gefängnisbau in Boa Vista zu erweitern.

Brasiliens Gefängnisse sind chronisch überbelegt, nach Schätzungen der Nichtregierungsorganisation Fórum Brasileiro de Seguranca Pública um mindestens ein Drittel. Die Zustände in brasilianischen Haftanstalten wurden bereits mehrfach von UN-Organisationen, darunter auch von Juan Mendéz, dem Sonderbeauftragten für Folter, als "inhuman" und "schwere Missachtung" der Menschenrechte kritisiert.

In Rio de Janeiro besteht im Gefängnis Complexo Penitenciário de Gericinó seit Ende Dezember bei Temperaturen über 40 Grad Celsius akute Wasserknappheit, die die bestehenden Spannungen zwischen Angehörigen verschiedener krimineller Organisationen verschärft. Anwälte haben nach dem Massaker in Manaus die strikte Trennung der verschiedenen Drogenkartelle innerhalb des Complexo Penitenciário de Gericinó gefordert, um weitere Tote zu verhindern.

Nachdem De-facto-Präsident Michel Temer nach dem Massaker von Manaus zunächst von einem "Unfall" gesprochen hatte, lehnte auch sein Justizminister Alexandre de Moraes die staatliche Verantwortung für die Gefängnisrebellion ab, die weltweit für Schlagzeilen gesorgt hatte. Da eine beauftragte Privatfirma für die Sicherheit der Haftanstalt verantwortlich gewesen sei, könnten keine staatlichen Behörden zur Verantwortung gezogen werden. Er kündigte einen neuen Plan für Nationale Sicherheit an, der unter anderem durch die Einführung von Schnellverhandlungen die Anzahl der Untersuchungsgefangenen reduzieren solle. 42 Prozent der Häftlinge in brasilianischen Gefängnissen warten auf ihre Gerichtsverfahren, in Manaus sind es bis zu 56 Prozent. Im Durchschnitt dauert es sieben Monate und acht Tage, bis die Untersuchungsgefangenen vor Gericht stehen, aber weniger als 20 Prozent von ihnen werden wegen schwerer Verbrechen verurteilt. Ein Drittel muss Sozialstunden ableisten, ein Schmerzensgeld oder eine Entschädigung zahlen. Dieses Verfahren, das ein Drittel der Untersuchungshäftlinge monatelang einer unangemessen schweren Strafe unterwirft, wird von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert, ebenso wie das Fehlen von Programmen zur Resozialisierung.

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