Guatemala / Politik

Indigene in Guatemala fordern Verfassungsreformen ein

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Banner vor dem Parlamentsgebäude: "Die sich gegen den Frieden stellten, die den Völkermord finanzierten und negieren, sind diejenigen, die sich der Verfassungsreformen widersetzen. Juristische Pluralität jetzt!"
Banner vor dem Parlamentsgebäude: "Die sich gegen den Frieden stellten, die den Völkermord finanzierten und negieren, sind diejenigen, die sich der Verfassungsreformen widersetzen. Juristische Pluralität jetzt!"

Guatemala-Stadt. Der Kongress von Guatemala hat die Diskussion um die Reform des Artikels zur Unabhängigkeit des Justizwesens und die Einbeziehung indigener Gerichtsbarkeit in die Verfassung erneut verschoben.

In den Tagen zuvor war das Straßennetz landesweit an strategischen Knotenpunkten durch zehntausende Protestierende lahmgelegt worden. Über 30 soziale Organisationen forderten vom Kongress, die Reformen anzunehmen. Dagegen sprach sich der Wirtschaftsverband CACIF gegen die Einführung einer indigenen Justiz aus und forderte vom Parlament, diese nicht anzunehmen, "um das Justizsystem zu stärken".

Nach den großen Protesten und der Aufdeckung krimineller Strukturen auf Regierungsebene im Jahr 2015 gründeten die Staatsanwaltschaft, die Internationale Kommission gegen Straffreiheit in Guatemala und der Ombudsmann einen "Nationalen Dialog". Während der ersten Jahreshälfte 2016 wurden offene Diskussionen zu konkreten Reformen des Justizwesens durchgeführt. Im Oktober 2016 wurden die Vorschläge zu Verfassungsänderungen vorgelegt. Seitdem werden sie diskutiert, abgeändert und vom Parlament immer wieder zurückgewiesen.

Amílcar Pop, Abgeordneter der indigenen Partei Wiñaq, rief seine Amtskollegen am vergangenen Mittwoch dazu auf, die bereits revidierte Vorlage des Artikels 203 der Verfassung über die Justiz anzunehmen. "Wir, die indigenen Völker, fordern seit 200 Jahren unsere Einbeziehung. Es wird Zeit, dass die Inklusion mit der Verfassungsreform erfolgt", erklärte er.

Nach der Parlamentssitzung hielten indigene Autoritäten eine Pressekonferenz ab. Dabei forderte der vor einem halben Jahr aus einer über einjährigen politischen Gefangenschaft freigekommene Anführer Rigoberto Juárez, die Kongressabgeordneten sollten ihre Verantwortung wahrnehmen und den Forderungen der indigenen Völker und des Landes nach Reformen nachkommen.

Mit der Reform des Artikels 203 der Verfassung sollen die indigenen Autoritäten gemäß den Normen, Verfahren und Gebräuchen ihrer Gemeinschaften juristische Funktionen übernehmen, insofern sie sie nicht gegen Verfassungsrecht verstoßen. Indigene Gerichtsbarkeit wird in Guatemala tagtäglich ausgeübt und ergänzt schon heute die staatliche Justiz. So werden allein in der Gemeinde Solalá jährlich über 2.500 Fälle von Streitigkeiten und Straftaten von ihren Autoritäten verhandelt und geahndet.

Indigene Justiz verfüge über Konzepte von Konfliktlösungsstrategien, die weit über die Wahrnehmung "westlicher" Justiz hinausginge, erklärte Daniel Butler, Mitglied der Internationalen Kommission der Juristen beim Dialog im vergangenen Jahr. Mit ihrer Einrichtung würde den indigenen Völkern zudem eine politische Kontrolle über ihre Territorien ermöglicht, was vor allem den Unternehmen, die im Rohstoff-, Energie- und Agrarsektor tätig sind, nicht mehr erlauben würde, die lokale, meist indigene Bevölkerung zu übergehen. "Länder wie Bolivien und Kolumbien haben eine pluralistische Gerichtsbarkeit in ihre Verfassungen einbezogen. Obwohl sie bei der Umsetzung der Gesetze ihre Probleme hatten, zeigen sich positive Resultate, die man nicht ignorieren kann: die Menschenrechte indigener Völker werden mehr geachtet, auch wenn immer noch ungenügend, und es gibt eine Annäherung an einen gerechten Handel", so Butler.

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