Brasilien / Politik

Über 80 führenden Politikern in Brasilien drohen Ermittlungen wegen Korruption

Kronzeugen belasten Politiker. Bundesstaatsanwalt beantragt Untersuchungen. Kongress-Abgeordnete wollen Parteienfinanzierung aus schwarzen Kassen legalisieren

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Hatte die unhaltbare Anklage erhoben: Brasiliens Ex-Generalbundesanwalt Rodrigo Janot
Hatte die unhaltbare Anklage erhoben: Brasiliens Ex-Generalbundesanwalt Rodrigo Janot

Brasília. Brasiliens Generalbundesanwalt beim Obersten Gerichtshof, Rodrigo Janot, hat einen Antrag auf Ermittlung gegen 83 hochrangige Politiker wegen Korruption gestellt. Die Fälle stehen im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre um den halbstaatlichen Mineralölkonzern Petrobrás, auch als Lava Jato bekannt. Folgt das Gericht dem Gesuch, könnte eine Welle von Ermittlungen gegen Abgeordnete, Senatoren, Minister, den De-facto-Präsidenten Michel Temer sowie gegen Präsidentschaftskandidaten für 2018 bevorstehen.

Die Politiker werden verdächtigt, Wahlkampfspenden aus illegalen Schwarzgeldkassen von Unternehmen kassiert zu haben. Das Oberste Bundesgericht sah dies bereits in einem Fall als Bestechung an.

Janot stützt seine Argumentation auf rund 850 Kronzeugenaussagen von 77 Ex-Funktionären des Baukonzerns Odebrecht im Rahmen der Lava Jato-Ermittlungen. Gegen sie laufen bereits Verfahren wegen Bestechung und Kartellbildung im Kontext von Aufträgen der Petrobrás. In den meisten Fällen ersucht Janot zugleich die Aufhebung von Bank- und Steuergeheimnis. Ferner hat er beantragt, die Geheimhaltungspflicht der Zeugenaussagen aufzuheben. Damit könnten diese als Beleg mit angeführt werden.

Auf Seiten der Regierung hat die Justiz neben Temer selbst zwei seiner engsten Vertrauten im Visier: Die Bundesstaatsanwaltschaft will Untersuchungen gegen den Leiter des Präsidialamtes, Eliseu Padilha, dessen Generalsekretär Moreira Franco sowie gegen den Minister für Wissenschaft und Technik, Gilberto Kassab, einleiten. Ferner gibt es Janot zufolge genügend Verdachtsmomente gegen den Senatspräsidenten Eunício Oliveira, den früheren Senatspräsidenten und PMDB-Parteichef Renan Calheiros sowie gegen die Senatoren José Serra, Aécio Neves, Edison Lobão und Romero Jucá. Diese hatten maßgeblichen Anteil an der Amtsenthebung der de-jure-Präsidentin Dilma Rousseff.

Unterdessen versuchte Außenminister Aloysio Nunes Ferreira von der neoliberalen Partido da Social Democracia Brasileira (PSDB) die Bedeutung der über 80-Personen umfassenden 'Liste von Janot' zu minimieren. "Man muss sich jeden Fall einzeln ansehen. Bei einigen wird es Anlass zur Anklageerhebung geben, bei anderen nicht", so Nunes.

Parallel zur Antragseinreichung musste der frühere linksgerichtete Präsident Luiz Inácio 'Lula' da Silva am Dienstag vor dem Bundesgericht als Angeklagter aussagen. Ihm wird zur Last gelegt, die Ermittlungen in der Korruptionsaffäre um die Petrobrás behindert zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm den Versuch vor, den früheren Leiter für internationale Beziehungen der Petrobrás, Nestor Cerveró, von einer Aussage als Kronzeuge abzuhalten. Das Gericht hatte die Anklage gegen Lula und sechs weitere Personen im Juli des vergangenen Jahres zugelassen.

Einen Tag zuvor brachten Mitglieder von Regierungs- und Oppositionsparteien einen Gesetzesantrag zur Parteienfinanzierung im Kongress ein. Demnach sollen zukünftig Wahlkampfspenden auch aus steuerlich nicht deklarierten Geldern, der sogenannten 'caixa dois', der Schwarzgeldkasse von Unternehmen, stammen dürfen. Dadurch könnten Verurteilungen im Rahmen der Lava Jato-Ermittlungen für Wahlkampfspenden erschwert oder verhindert werden.

Ziel des Gesetzes sei es, klar zwischen Fällen von Wahlkampfunterstützung und Bestechung zu unterscheiden, so die Befürworter. Spenden mit zwielichtiger Herkunft seien Fälle von Steuerhinterziehung, aber nicht von Bestechung und Korruption. Dies sei ein bedeutend schwerwiegenderes Vergehen. Die gesetzliche Neuregelung solle die Wirtschaft vor Strafverfolgung schützen, so der Fraktionsvorsitzende der linksgerichteten Arbeiterpartei (PT) Carlos Zarattini. "So wie es derzeit ist, wird jede parlamentarische Aktivität kriminalisiert. Sie schmeißen alle in einen Topf", so Zarratini.

Protest gegen die Gesetzesänderung kommt von Teilen der PT und anderen linken Parteien sowie von sozialen Bewegungen. Sie sehen in dem Gesetz eine Amnestie für Bestechung.

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