Venezuela / Politik

Staatsanwälte in Venezuela ermitteln zu Toten bei Protesten

Vier Opfer bei Demos der Opposition. Tote werden politisch instrumentalisiert. Propagandakrieg um Videos. Aktionen beider Lager auch im Ausland

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Sitz der Generalstaatsanwaltschaft in Venezuelas Hauptstadt Caracas
Sitz der Generalstaatsanwaltschaft in Venezuelas Hauptstadt Caracas

Caracas. In Venezuela setzt die Opposition gegen die sozialistische Staatsführung von Präsident Nicolás Maduro weiter auf Proteste und den Sturz der Regierung. Neue Demonstrationen im Land und Aktionen von Unterstützern im Ausland rufen zum Widerstand "gegen die Diktatur" auf. Zugleich eskaliert die Gewalt bei den Demonstrationen, die zuletzt zwei Tote forderte. In Medien läuft indes ein regelrechter Propagandakrieg zwischen den politischen Lagern.

Die Generalstaatsanwaltschaft von Venezuela hat am Mittwoch Untersuchungen zum Tod eines 14-jähriges Jungen und eines Mannes in Barquisimeto im Bundesstaat Lara angeordnet. Sie waren am späten Dienstagabend bei Protesten gegen die Regierung Maduro von Unbekannten erschossen worden.

Der dem Oppositionsbündnis Tisch der demokratischen Einheit angehörende Gouverneur von Lara, Henry Falcón, sagte bei einer Pressekonferenz, man habe "paramilitärische Gruppen" in der Stadt beobachtet, die "friedliche Demonstrationen infiltrierten und Gewalt schürten". Zudem seien mit Gewehren bewaffnete Männer mit Autos in der Stadt unterwegs gewesen und hätten auf Protestierende geschossen. Neben den zwei Toten seien zehn durch Schüsse verletzte Menschen zu beklagen. Außerdem sei es zu Plünderungen in Geschäften für Elektrogeräte und in Einkaufszentren sowie zu "Akten des Vandalismus" gekommen. Falcón behauptete, bei diesen Paramilitärs habe es sich um Mitglieder der chavistischen Bewegung und Anhänger von Präsident Maduro gehandelt.

Am Donnerstag wurde der Tod eines weiteren Mannes gemeldet, der bei den Protesten am 11. April in Barquisimeto angeschossen wurde und nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus den Verletzungen erlegen ist.

Damit sind bereits vier Menschen im Zusammenhang der jüngsten gewalttätigen Proteste ums Leben gekommen.

Zuvor war in der Nacht vom 10. April ein 19-Jähriger in Valencia im Bundesstaat Carabobo erschossen worden. Nach Angaben von Gouverneur Francisco Ameliach von der regierenden sozialistischen Partei (PSUV) ist dafür ein Beamter der Lokalpolizei verantwortlich, der inzwischen an die Justizbehörden übergeben wurde. Vorausgegangen sei ein bewaffneter Angriff auf die Polizeistation, der nun ebenfalls untersucht werden müsse, so Ameliach.

Unklar sind bislang die genauen Umstände des Todes eines Jugendlichen, der am 6. April in Carrizal im Bundesstaat Miranda von einem Verkehrspolizisten der Nationalen Bolivarischen Polizei getötet wurde. Während Regierungsgegner von einem Polizeieinsatz gegen Demonstranten sprechen, beteuerten seine Eltern, er habe an keinerlei Protest teilgenommen. Sie untersagten zudem der Opposition, das Bildnis ihres Sohnes zu politischen Zwecken zu missbrauchen. Sein Name solle im Sinne des Dialoges und Friedens verwendet werden, betonte der Vater gegenüber der Presse. Der Todesschütze ist in Haft.

Ein regelrechter Propagandakrieg zwischen den politischen Lagern ist um Aufnahmen von einem Auftritt Präsident Maduros anlässlich des 200. Jahrestages der Schlacht von San Félix im Bundesstaat Bolívar entbrannt. Aktivisten der Opposition verbreiteten ein kurzes Video, das ihren Angaben nach den Angriff einer Menschenmenge auf Maduro zeige. Diese Version wurde von zahlreichen ausländischen Medien übernommen, unter anderem von der deutschen Nachrichtenseite tagesschau.de. Staatliche venezolanische und regierungsnahe Medien konterten mit der Publikation mehrerer Videos, die ein anderes Bild wiedergeben. Zu sehen ist, wie Maduro in Begleitung mehrerer hochrangiger Minister seines Kabinetts auf einem offenen Fahrzeug stehend im Schritttempo durch eine große Menschenmenge fährt, während die Menschen ihm zujubeln und Fotos machen. In einer Sequenz ist auch zu sehen, wie aus der Menge Gegenstände auf Maduro geworfen, zu erkennen ist eine Plastikflasche. Verantwortlich dafür seien mehrere Personen gewesen, "die den Sicherheitskordon durchbrochen hatten", hieß es beim lateinamerikanischen Nachrichtensender Telesur. Die Aufnahmen zeigen auch, wie mehrere Personen Briefe an Maduro reichen oder gefaltete Schriftstücke in das Fahrzeug des Präsidenten werfen – eine schon unter Amtsvorgänger Hugo Chávez übliche Handlung, um den Staatschef auf persönliche Anliegen aufmerksam zu machen.

Während Anhänger der Opposition gegen die Regierung auf die Straße gehen, gedachten tausende "Chavisten" Mitte der Woche in Caracas der Niederschlagung eines Putschversuchs vor 15 Jahren. Die Menschenmenge versammelte sich an der Llaguno-Brücke im Zentrum der Hauptstadt. Am 11. April 2002 hatten hier Scharfschützen das Feuer auf einen Protestzug der Opposition eröffnet und mehrere Menschen getötet. Putschisten aus den Reihen des Militärs nahmen das zum Anlass, den damaligen Präsidenten Chávez zu entführen. Der Putsch konnte zwei Tage später niedergeschlagen und Chávez befreit werden. Berichtet wurde damals, Regierungsanhänger hätten das Feuer auf die Oppositionellen eröffnet, was sich später als Propagandalüge entpuppte, die durch manipulierte Videoaufnahmen gestützt wurde.

Indes rufen Gegner und Anhänger der sozialistischen Regierung auch international zu Protesten auf. Per E-Mail wurde von Gegnern der venezolanischen Regierung in Deutschland der Aufruf verbreitet, am 15. und 19. April Selfies mit dem Slogan "No Más" (Nicht weiter) online zu stellen. "Solche Symbole sind sehr wichtig", heißt es in dem Appell, der amerika21 vorliegt. Die regierende PSUV mobilisiert für den 19. April, den 207. Jahrestag des Beginns des Unabhängigkeitskampfes, ebenfalls zu internationalen Aktionen "zur Verteidigung der Souveränität". Sympathisanten der linken Regierung seien aufgerufen, öffentliche Aktionen und Aktivitäten in den sozialen Netzwerken zu organisieren, um die Destabilisierungsversuche der Opposition und die Einmischung aus dem Ausland zurückzuweisen.

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