Streit um Beteiligung an Friedensverhandlungen in Kolumbien

Soziale Organisationen drängen auf Partizipation. Regierung fordert Ende der Entführungen und die Freilassung von Gefangenen. ELN spricht von Blockade

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Vertreter der Regierung und der ELN in Kolumbien
Vertreter der Regierung und der ELN (rechts am Tisch: Pablo Beltrán) bei der Pressekonferenz am 6. April. Rechts hinter Beltán ist Farc-Kommandant Carlos Lozada zu sehen

Bogotá. Knapp zwei Wochen nach Abschluss der ersten Runde der Friedensgespräche zwischen der Regierung von Kolumbien und der Guerillaorganisation "Nationale Befreiungsarmee" (ELN) streiten beide Seiten öffentlich um einen zentralen Verhandlungspunkt: die Beteiligung der Gesellschaft. Auslöser war ein Brief der sozialen Bündnisse Redprodepaz, Mesa Social para la Paz und Por una Paz Completa, in dem sie auf Fortschritte bei der Verhandlung über diesen Tagesordnungspunkt drängen. Ein breiter Konsens über die Inhalte der Gespräche und Vereinbarungen sei notwendig, damit sie Legitimität in der kolumbianischen Gesellschaft hätten, so die Autoren.

Die ELN beschuldigt in ihrer Antwort die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos der Blockade, da sie "unannehmbare Vorbedingungen" stelle. In der ersten Gesprächsrunde habe die zuständige Arbeitsgruppe zu keiner Vereinbarung kommen können, denn die Regierung habe "einseitig" jeglichen Fortschritt in Sachen Partizipation von der Frage der "Gefangennahmen" abhängig gemacht. Diese müsse jedoch im Rahmen humanitärer Aktionen beider Seiten geklärt werden. Man habe bisher lediglich Vorgespräche mit verschiedenen Gesellschaftssektoren verabredet, um deren Vorschläge zu sammeln. Dazu würden unter anderem soziale Organisationen, Berufsverbände, Kirchen und Friedensplattformen aufgerufen. Dieses "Rohmaterial" werde dann am Verhandlungstisch besprochen, um die konkrete Umsetzung zu regeln.

Die Regierungsdelegation wies die Vorwürfe am Freitag scharf zurück. Die ELN habe die Gespräche über eine Partizipation abgebrochen, indem sie sich geweigert habe, "über das Thema der Entführungen zu sprechen". Dies widerspreche der getroffenen Vereinbarung, die Normen der Genfer Konvention zu achten. Ein Ende der Entführungen sei ein "Imperativ des Völkerrechts, nicht der Regierung".

Am 6. April hatten beide Seiten bei einer Pressekonferenz in Ecuador mit einem gemeinsamen Kommuniqué die erste Runde ihrer Friedensverhandlungen für abgeschlossen erklärt. Geeinigt habe man sich auf Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung gemäß Artikel 3 der Genfer Konventionen. Die "Intensität des Konfliktes" solle verringert werden. Zudem wurden die Inhalte für die kommende Gesprächsrunde abgestimmt: Ein Pilotprojekt für die Beseitigung von Antipersonenminen soll erarbeitet und die Diskussion um die politische Partizipation der Gesellschaft sowie über humanitäre Aktionen fortgesetzt werden. Die zweite Verhandlungsrunde soll am 3. Mai beginnen.

Die Delegationen werden auf Regierungsseite von Juan Camilo Restrepo, auf Seiten der ELN von Pablo Beltrán geführt.

Für Überraschung sorgte die Anwesenheit von Kommandanten der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) bei der Pressekonferenz. Man habe sich mit der Regierung darauf verständigt, dass ein regelmäßiger Austausch beider Organisationen über die Verhandlungen und die Umsetzung der Friedensvereinbarungen stattfindet, erklärte Beltrán dazu.

Farc und Regierung hatten bereits im November 2016 einen Friedensvertrag geschlossen. Die Verhandlungen mit der ELN begannen offiziell am 8. Februar dieses Jahres. Damit soll ein Ende des über 50 Jahre andauernden Krieges erreicht werden, der 220.000 Tote, 60.000 Verschwundene und 6,9 Millionen Vertriebene gefordert hat.

Die Erfahrungen aus den Verhandlungen und der Umsetzung des Abkommens mit den Farc zeigen jedoch, wie steinig der Weg zu einem dauerhaften Frieden noch ist. Ein Ende des Krieges ist zwar in greifbare Nähe gerückt, doch bedeutet dies nicht ein Ende der Gewalt. Die Demobilisierung der Farc hat zum Teil ein Vakuum entstehen lassen, das vor allem von paramilitärischen Verbänden gefüllt wurde und in Teilen des Landes zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage geführt hat. So sind allein im Südwesten Kolumbiens in den ersten drei Monaten des Jahres 20 Anführer sozialer, indigener und kleinbäuerlicher Bewegungen getötet worden.

Doch nicht nur in Bezug auf die politische Beteiligung und ein Ende der Gewalt gibt es erhebliche Bedenken, was die Umsetzung des Friedensvertrages angeht. Aktuelle Berichte von Gemeinden aus Argelia im Departamento Cauca sprechen von wiederholten Einsätzen des Militärs in der Region, die Koka-Anpflanzungen zerstören und mit ihrem Eindringen und ihrer Präsenz nicht nur die Zivilbevölkerung gefährden, sondern auch im Widerspruch zum vierten Punkt des Friedensvertrages stehen. Dieser sieht die friedliche Substitution der illegalen Pflanzungen und den Aufbau alternativer Subsistenzquellen vor.

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