Mütter der Plaza de Mayo: 40 Jahre Suche nach den Verschwundenen der Militärdiktatur

Feierlichkeiten zum Jubiläum der Menschenrechtsorganisation, die internationales politisches Gewicht erlangte. Mütter fordern weiterhin Aufklärung

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"Kein Vergeben, kein Vergessen": Bild zu Ehren der "Madres" im Stadtteil La Boca in Buenos Aires. Es wurde vom Wandmaler Lucas Quinto entworfen und von Schülern der Escuela de Adultos Nº 29 de La Boca angefertigt
"Kein Vergeben, kein Vergessen": Bild zu Ehren der "Madres" im Stadtteil La Boca in Buenos Aires. Es wurde vom Wandmaler Lucas Quinto entworfen und von Schülern der Escuela de Adultos Nº 29 de La Boca angefertigt

Buenos Aires/Berlin. Die Menschenrechtsorganisation Madres de Plaza de Mayo feiert ihr 40-jähriges Bestehen. Seit der ersten Versammlung am 30. April 1977 suchen die Mütter ihre Kinder und Verwandten, die in den 1970er und 1980er Jahren in Argentinien auf Befehl der machthabenden Militärs entführt, gefoltert und ermordet wurden. Bis heute demonstrieren sie jeden Donnerstag vor dem Regierungssitz in Buenos Aires.

Mit einem Straßenzug, Kundgebungen und Konzerten erinnerten die Mütter an vier Jahrzehnte des Mobilisierens für die Aufarbeitung der Vergangenheit, gegen das Vergessen der Opfer und gegen die Straflosigkeit der Täter. "Unsere Kinder sind jeden Donnerstag auf dem Platz präsent. Wir bleiben hier. Wir kämpfen gemeinsam weiter", sagte die 87-jährige Nora Cortiñas von den "Madres de Plaza de Mayo, Línea Fundadora" anlässlich der Gedenkfeier. Ihr Sohn Gustavo Cortiñas verschwand am 15. April 1977.

Sie erneuerten die Forderung nach Einsicht in die Akten der Diktaturzeit und die Anerkennung der 30.000 Entführten und Ermordeten. Diese Opferzahl wird aktuell von hohen Regierungsvertretern der Verwaltung von Präsident Mauricio Macri heruntergespielt.

Der Beitrag der Mütter zur Aufarbeitung der Menschenrechtsverbrechen wird heute vom wesentlichen Teil der argentinischen Gesellschaft anerkannt. Die Mütter geben den "Verschwundenen" ein Gesicht und rufen sie stetig in Erinnerung.

Die ersten 14 Frauen vereinigten sich an jenem Donnerstagnachmittag Ende April 1977 auf der Plaza de Mayo, nachdem jede allein erfolglos über die Behörden versucht hatte, ihre Angehörigen aufzufinden. Damals waren Demonstrationen streng verboten. Um nicht von den Polizisten vom Platz verbannt zu werden, liefen sie fortan schweigend im Kreis. Schnell waren es hunderte Mütter, die sich mit ihren weißen Kopftüchern anschlossen.

Anfang Dezember 1977 wurde Azucena Villaflor de De Vincenti, die zu den Gründerinnen gehört, verschleppt und blieb "verschwunden". Die anderen Mütter machten unerschrocken angesichts der unvorstellbaren Verbrechen mit ihren Runden um die Pyramidenstatue der Plaza de Mayo weiter. Das Symbol der Mütter, ihre weißen Kopftücher, markiert heute die den Platz als Erinnerung an die zehntausenden Verschwundenen der Militärdiktatur (1976-1983).

"Lebend wollen wir sie" ist die Losung der Mütter bis heute. Auch als in den ersten Jahren der Rückkehr zur Demokratie die neu gewählte Regierung unter Präsident Raúl Alfonsín (1983-1989) die ersten Strafprozesse gegen die Diktatoren einleitete, eine Wahrheitskommission einsetzte und Reparation für die Opfer und deren Angehörigen zahlen wollte, war die Gruppe aktiv.

Die Mütter ließen nicht nach, denn ihr Ziel, die Schicksale ihrer verschwundenen Kinder zu klären und die Schuldigen anzuklagen war Mitte der achtziger Jahre nur zum Teil erfüllt. Allerdings kristallisierten sich durch den politischen Wandel zwei Strömungen mit verschiedenen Haltungen heraus. Inzwischen war die Mütterorganisation zu einer Bewegung mit enormem politischem Gewicht herangewachsen.

Die "Assoziation der Mütter der Plaza de Mayo" und ihre Vorsitzende Hebe Bonafini gelten als radikaler gegenüber dem moderateren Flügel der "Mütter der Plaza de Mayo, Gründungslinie" mit Nora Cortiñas als Führungsfigur. Die Gruppe um die 88-jährige Bonafini sticht durch ihre Kapitalismuskritik und eine offene Unterstützung der Menschenrechtspolitiken der Regierungen von Néstor Kirchner (2003-2007) und Cristina Fernández (2007-2015) hervor, die auf der Menschenrechtsbewegung in Argentinien fußten.

Papst Franziskus und der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon zählen zu den Stimmen, die die Organisation der Mütter für ihre Errungenschaften würdigen. Neben dem Dank für ihren unerschrockenen Einsatz, finden sich unter den Hashtags #Madres40Años und #GraciasMadres aber auch kritische Stimmen. Diese richten sich unter anderem gegen das Projekt "Misión Sueños Compartidos" der Organisation der Mütter, für welche die Gruppe staatliche Gelder in Höhe von mehreren Milliarden argentinischen Peso für den Bau von Sozialwohnungen erhalten hatte. Hebe Bonafani und der ihr nahestehende Verwalter Sergio Schoklender wurden angeklagt, Gelder veruntreut und sich persönlich bereichert zu haben.

Die Vereinigung der Großmütter der Plaza de Mayo, die sich beinahe zeitgleich bildete, symbolisiert wie die Mütter die zivilgesellschaftliche Kraft der Bewegungen gegen die Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit und Gegenwart. Erst vor zwei Wochen wurde der gesuchte Enkel Nr. 122 von den "Abuelas de Plaza de Mayo" gefunden. 300 Babys werden weiter gesucht.

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