Aufregung um möglichen Geheimdienstauftrag von Diplomaten aus Argentinien in Berlin

Neuer "Kulturbeauftragter" Lopérfido soll mit nachrichtendienstlichem Auftrag nach Berlin kommen. Kulturmanager hatte Ex-Außenminister Steinmeier getroffen

Buenos Aires/Berlin. Die Entsendung des argentinischen Kulturmanagers Darío Lopérfido an die Botschaft des südamerikanischen Landes in Berlin sorgt für zunehmende Debatten. Nach dem Bekanntwerden der Ernennung von Lopérfido hatten Anfang Mai bereits gut 100 Künstler, Intellektuelle und Wissenschaftler in einem offenen Brief an die argentinische Botschaft gegen diese Entscheidung protestiert. Nun haben argentinische Medien ein weiteres pikantes Detail ins Spiel gebracht: Der offenbar neu ersonnene Posten eines "Sonderbeauftragten für die argentinische Kultur" in Berlin könnte eine Tarnung sein. Tatsächlich sei Lopérfido beauftragt, in Berlin für den argentinischen Geheimdienst zu arbeiten, hieß es in der Tageszeitung Página12. Heikel wäre das, weil Lopérfido eine explizit politische Haltung gegen die in Argentinien starken Peronisten und gegen Menschenrechtsorganisationen einnimmt. Die Bundesregierung wiegelt auf Anfrage ab.

Der argentinische Journalist und Menschenrechtsaktivist Horacio Verbitsky hat in der Tageszeitung Página12 die These aufgestellt, der designierte Sonderbeauftragte Lopérfido würde für den argentinischen Nachrichtendienst (AFI) nach Berlin versetzt. Der Auftrag als Gesandter der argentinischen Kultur in Deutschland, wie im Dekret veröffentlicht, solle die eigentliche Mission verschleiern. Der Geheimdienstposten in Berlin sei bisher von der langjährigen Funktionärin des argentinischen Nachrichtendienstes, Silvia Beatriz Cucovaz de Arroyo, ausgeführt worden.

Cucovaz war ehemals Leiterin der Nationalen Geheimdienstschule (ENI), die das Personal für Auslandseinsätze befähigt. Laut Verbitsky wurde sie vom US-Auslandsgeheimdienst CIA ausgebildet.

Im Jahr 2005 war die damalige  Sicherheitsbehörde Secretaría de Inteligencia de Estado (SIDE) in Secretaría de Inteligencia (SI) umbenannt worden. Nach dem bis heute unaufgeklärten Tod des Staatsanwaltes Alberto Nisman im Januar 2015 hatte die damalige Regierung von Cristina Fernández de Kirchner (2007-2015) die Sicherheitsbehörde SI aufgelöst, ihr leitendes Personal ausgetauscht und den neuen Geheimdienst Agencia Federal de Inteligencia (AFI) geschaffen.

Mit der Auflösung der SI und dem Regierungswechsel im Jahr 2015 ging Cucovaz in den Ruhestand. Die Regierung von Mauricio Macri tauschte die kirchnertreuen Chefs der AFI, Oscar Parrili und Juan Manuel Mena, gegen den dem Präsidenten nahestehenden Gustavo Arribas aus. Cucovaz wurde nach der Neubesetzung an der Spitze des Nachrichtendienstes als Angestellte wieder auf ihren Posten in Berlin zurückgeholt. Und zwar, so Horacio Verbitsky, auf Wunsch des Bundesnachrichtendienstes (BND) wegen des bestehenden vertrauensvollen Arbeitsverhältnisses.

Erst als die Regierung der autonomen Stadt Buenos Aires den umstrittenen Kulturminister nicht mehr halten konnte, musste Cucovaz ihren Posten nun endgültig abgeben.

Nachdem die Nachricht von Lopérfidos Ernennung zum Sonderbeauftragten für Kultur in Berlin bekannt wurde, hatte eine Gruppe in Deutschland lebender Argentinier einen offenen Brief an die Botschaft verfasst. Darin forderten sie die Stellungnahme der argentinischen Regierung zu den Vorwürfen, die gegen Lopérfido im Raum stehen. Er habe die Zahl der Diktaturopfer heruntergespielt und behauptet, Menschenrechtsorganisationen hätten die Anzahl von 30.000 Verschwundenen und Ermordeten vorsätzlich erhöht, um staatliche Reparationen zu kassieren, so die Kritik der über 100 Unterzeichner.

Auf eine Anfrage aus dem Bundestag nahm die Bundesregierung dazu jedoch keine Stellung. Lopérfido habe lediglich auf Veröffentlichungen verwiesen, wonach es gesicherte Erkenntnisse zu Opfern in einer Größenordnung von 8.600 Menschen gebe, schrieb das Auswärtige Amt auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Heike Hänsel. "Herr Lopérfido hat in diesem Zusammenhang die Verbrechen gegen jeden einzelnen dieser Menschen als 'Tragödie' und 'Skandal' bezeichnet", so das Auswärtige Amt, das jedoch nicht auf die Angriffe Lopérfidos gegen politische Akteure und Menschenrechtsorganisationen einging.

Hänsel hatte kritisiert, dass der deutsche Botschafter, Bernhard Graf von Waldersee, Lopérfido nach dessen Entlassung zu einem Cocktailempfang in die deutsche Vertretung eingeladen hatte. Lopérfido hat bisher enge Kontakte zur deutschen Botschaft unterhalten und war im vergangenen Juni unter anderem mit Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Buenos Aires zusammengekommen.

Auch die argentinische Botschaft in Berlin vermied eine konkrete Antwort auf eine Anfrage von amerika21 zu der Bürgerinitiative. "Der Brief einiger Mitglieder der umfangreichen argentinischen Gemeinde in Deutschland wurde nach Erhalt an die zuständigen Stellen in Argentinien weitergegeben", hieß es lediglich. Eine Rückfrage, ob die Botschaft sich auch inhaltlich äußern wolle, blieb bislang unbeantwortet.

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