Puerto Rico / USA / Politik

Kritik in Puerto Rico an sinnlosem Referendum über US-Anschluss

Beteiligung hatte bei Abstimmung am Wochenende bei nur 23 Prozent gelegen. Befürworter der Unabhängigkeit setzten Boykott durch.

San Juan. Vor dem Hintergrund einer extrem schlechten Wirtschaftsentwicklung und einer Verschuldung in Höhe von gut 74 Milliarden US-Dollar haben mehr als 97 Prozent der Abstimmungsteilnehmer in Puerto Rico für einen Anschluss des Landes an die USA gestimmt. Die Wahlbeteiligung bei diesem von der Opposition boykottierten Referendum war mit 23 Prozent allerdings äußerst gering, zumal üblicherweise rund 80 Prozent zu den Wahlurnen strömen. Nach Auszählung fast aller abgegebenen Stimmen stimmten 97,2 Prozent der Teilnehmer für die Umwandlung in einen US-Staat, für die Unabhängigkeit votierten 1,5 Prozent und für die Beibehaltung des derzeitigen Status 1,3 Prozent.

Das Ergebnis des Referendums hat keine bindende Wirkung und mündet nicht automatisch in einem Beitrittsverfahren. Kritiker merken daher an, dass die rund acht Millionen US-Dollar, die diese Abstimmung den Staat gekostet hat, besser in geschlossenen Schulen hätten investiert werden sollen.

Die Regierung des Inselstaates hatte Puerto Rico im Mai dieses Jahres für bankrott erklärt. Das Land weist lediglich die Hälfte des Pro-Kopf-Einkommens des ärmsten US-Einzelstaats auf: Mississippi. Die wirtschaftliche Misere hatte in Puerto Rico in den letzten Monaten zu heftigen Protesten der Bevölkerung geführt, vor allem von Studenten und Arbeitern. Sie sind darüber empört, dass die eigene Regierung den Vorgaben aus Washington unterliegt.

Ein von den USA entsendeter "Rat der Steuerkontrolle" soll die Wiederherstellung der Finanzen von Puerto Rico kontrollieren, was von vielen Bürgern als eine koloniale Bürde empfunden wird.

Die 3,5 Millionen Einwohner zählende Insel und ehemalige spanische Kolonie wurde von den USA zu Ende des 19. Jahrhunderts besetzt, hat seit den 1950er Jahren ihre eigene Regierung unter dem Status eines mit den USA assoziierten Staates. Dies bedeutet einen gewissen Grad an Autonomie, wobei die Verteidigung, die Grenzregelungen und die internationale Politik von Washington bestimmt werden. Erst vor fünf Monaten kam Oscar López Rivera nach 36 Jahren in US-Haft in seine Heimat Puerto Rico zurück, nachdem er von Ex-Präsident Barack Obama begnadigt worden war. Der inzwischen 74-Jährige López Rivera war und ist der bekannteste Kämpfer für die Unabhängigkeit Puerto Ricos.

Nach dem Abstimmungsergebnis äußerten der Gouverneur von Puerto Rico, Ricardo Rossello Nevares und seine New Progressive Party (PNP) die Hoffnung, dass ihr Ansinnen nun in den USA Gehör finden möge. Washington könne, so hieß es von dieser Seite, die Pro-US-Stimmen in Puerto Rico nicht länger ignorieren. Doch eben das schätzen Experten sowie die oppositionellen Parteien und Gruppierungen anders ein. Demnach habe US-Präsident Donald Trump keinerlei Interesse an dem Thema erkennen lassen.

Die US-Regierung äußerte sich bislang nicht zu dieser Angelegenheit. Der frühere puertoricanische Gouverneur Aníbal Acevedo Vilá sagte zu dem Vorhaben, in der US-Bundeshauptstadt vorstellig zu werden: "Washington wird sie auslachen." Der frühere Außenminister des Landes urteilte: "Wir machen Puerto Rico damit nicht wieder groß. Es war nie groß unter der US-Flagge. Der Weg, unser Land wieder groß zu machen, führt über einen eigenen, selbständigen Staat."

Wenn Sie über diesen Artikel mitdiskutieren wollen, nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion auf unserer Facebook-Seite oder folgen Sie einfach diesem Link