Im brasilianischen Fußball alles sauber?

In einer aktuellen TV-Doku wird auch auf Brasiliens Exportschlager Fußball geschaut. Unter Verdacht: Nationalspieler Roberto Carlos

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Roberto Carlos (li.) mit dem Politiker Aécio Neves (re.)
Roberto Carlos (li.) mit dem Politiker Aécio Neves (re.), der inzwischen inmitten eines Korruptionsskandals steht

Brasília. Das um Skandale gerade nicht arme Brasilien rückt derzeit mit einem weiteren heikeln Thema in die internationalen Schlagzeilen: Doping im Fußball. Im Fokus dabei steht vor allem der wegen seiner wuchtigen Freistöße

gefürchtete Roberto Carlos, der 2002 als Nationalspieler mit der Seleção den fünften WM-Titel für Brasilien gewann. Das er nun wieder ins Rampenlicht rückt, ist dem 44-Jährigen, der gerade sein Traineramt bei South Melbourne antrat – zuvor Trainer gelernt bei Real Madrid, wo er lange auch als Spieler aktiv war (1996-2007) – sicherlich nicht recht.

Dabei standen die Anschuldigungen schon lange im Raum. Schon 2002 gab es in Brasilien eine fünfteilige Serie des Pay-TV-Sportkanals ESPN  zum Thema Doping in Brasilien und der Welt . 

Der Arzt, der darin häufig zu Wort kam, Dr. Júlio Cesar Alves, spielt auch in einer aktuellen ARD-Dokumentation eine zentrale Rolle. Er ist auf orthomolekulare Medizin spezialisiert, die mit teils überhöhter Dosierung von Nahrungsergänzungsmitteln Krankheiten behandelt.

Schon in der brasilianischen Dokumentation beschrieb er, mit welchen Mitteln Leistungssteigerungen bei welchen Athleten erreicht werden können. Er hatte sie alle im Portfolio: Von Leichtathleten, über Schwimmer und Kampfsportler hin zu Fußballern. Damals hätten auch zwei Spieler aus dem damaligen WM-Siegerteam seine Praxis aufgesucht.

Im Juli 2013 gab es ein weiteres TV-Interview für ESPN Sport mit Alves. Darin berichtet er erneut offen über die Dopingpraktiken im Sport und erwähnt, dass wieder zwei Seleção-Stars, die bei der WM 2014 spielen sollen, seinen Rat erfragt hätten.

Doch nicht nur der Fußball ist von den Doping Vorwürfen betroffen. Gegenüber ESPN sagt Alves, dass im Vorfeld der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro rund 25 Kader-Athleten aus diversen Sportarten bei ihm in Piracicaba, einer Stadt, die rund 150 km von São Paulo entfernt liegt, vorstellig wurden. Anlässlich der Sendung verfasste die brasilianische Anti-Doping-Agentur ABCD ein 200 Seiten starkes Dossier mit Namen und Fakten und überreichte es der Staatsanwaltschaft in São Paulo. Dort liegt es bis heute weitgehend unberührt. Es fand jedoch auch den Weg auf den Schreibtisch der ARD-Doping Rechercheure, die unter der Leitung von Hajo Seppelt in der Causa “Doping in Brasilien” aktiv wurden.

Im Deutschlandfunk-Interview sagte Seppelt, der Alves mit seinen Kollegen Florian Riesewieck und Thilo Neumann getroffen und mit versteckter Kamera gefilmt hat, dass sich der Arzt “um Kopf und Kragen geredet" hätte. Laut eigener Aussage verschreibt  Alves gesunden Sportlern – selbst noch Minderjährigen – verbotene Dopingmittel und hilft ihnen dabei, Dopingtests zu manipulieren. Und er bestätigte einem als Fußballmanager aus Europa getarnten Reporter: "Roberto Carlos war bei mir in Behandlung. Der Nationalspieler. Er kam schon mit 15 zu mir. Da war er ein schmächtiger Junge. Ich habe seine Oberschenkel entwickelt."

Hajo Seppelt stellt jedoch fest: "Wir reden hier von einem Verdacht, nicht von einem Beleg."  Auf die Frage, ob es Verbindungen zu brasilianischen Spitzenfußballern gibt, verweist Seppelt auf das Dossier der brasilianische Anti-Doping-Agentur. Darin werden die Praktiken von Alves zwar dokumentiert, bislang jedoch ohne Folgen: "Man muss den Eindruck gewinnen", so Seppelt, "dass das Verfahren gegen diesen offensichtlich sehr gefährlichen Arzt bis jetzt jedenfalls einfach irgendwo versickert ist."

In dem Dossier findet auch Weltmeister Roberto Carlos Erwähnung, der seinerseits jedoch Verbindungen zu dem Arzt Alves sowie jegliche Doping Vorwürfe zurückweist. Laut Hajo Seppelt habe man Roberto Carlos mehrfach zu einem Interview angefragt, um sich zu den Vorwürfen gegen ihn zu äußern. "Schade, dass er sie nicht genutzt hat" konstatiert Seppelt.

Mittlerweile hat Roberto Carlos Klage gegen die ARD eingereicht. Die ARD solle für ihre Anschuldigungen "vor Gericht und öffentlich" Beweise vorlegen. In einer öffentlichen Stellungnahme beteuert Roberto Carlos: “Im Laufe meiner Karriere habe ich immer das saubere und vor allem, ehrliche Spiel verteidigt. Die Anschuldigungen gegen mich sind verlogen und das genaue Gegenteil meines Denkens. In 20 Jahren als Spieler Karriere bin ich nie auf eine leistungssteigernde Substanz positiv getestet worden.

Was im Fußball nichts heißen will, denn Fußballprofis können weltweit ruhig schlafen. Ein Dopingkontrolleur, der sie morgens um sieben aus dem warmen Bett klingelt ist hier nicht Usus – anders als bei anderen Sportlern, die in eine andere Meldekategorie fallen. Zudem werden nur Urinproben abgegeben, relevante Nachweise über eine Blutkontrolle finden nicht statt.

Die Kontrolle in Brasilien ist zudem generell sehr lax und die höchste brasilianische Fußball Liga bildet da keine Ausnahme.  In der ARD-Doku sagt ein ehemaliger Dopingkontrolleur: "Ich schätze fünf Prozent sind für den Job qualifiziert, der Rest sind Autoverkäufer, Physiotherapeuten und Wanderarbeiter".  Auf die Vorwürfe reagierte der brasilianische Fußballverband CBF nicht.

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