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Wahlen in Venezuela provozieren internationale Debatte

Kritik von Bundesregierung und EU. Internationale Wahlbegleiter bestätigen sauberen Ablauf der Abstimmung. USA verhängen Sanktionen gegen Präsident Maduro

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Internationale Wahlbegleiter bei der Abstimmung in Venezuela
Internationale Wahlbegleiter bei der Abstimmung in Venezuela

Caracas/Berlin/Brüssel. Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich die Krise in Venezuela nach der Wahl der verfassunggebenden Versammlung weiter zuspitzt. "Die Wahl der Delegierten war weder frei noch geheim noch gleich und verstieß somit gegen demokratische Grundprinzipien", hieß es aus dem Auswärtigen Amt am Montag. Deutschland bedauere, dass die Regierung von Präsident Nicolás Maduro die Wahl trotz Kritik im eigenen Land und Warnungen aus dem Ausland nicht abgesagt habe. Dieser Schritt habe das Land weiter gespalten und die demokratische Ordnung geschwächt, heißt es in der online verbreiteten Mitteilung. Die Wortwahl entspricht früheren Stellungnahmen der Bundesregierung zum Thema.

Die Europäische Union hat den venezolanischen Sicherheitskräften indes vorgehalten, den Protesten mit "exzessiver und unverhältnismäßiger Gewalt" begegnet zu sein. Zugleich kritisierte der Europäische Auswärtige Dienst zu Wochenbeginn den Ablauf der Wahl. "Eine Verfassungsversammlung, die unter zweifelhaften und oft gewaltsamen Umständen gewählt wurde, kann nicht Teil der Lösung" der gegenwärtigen Krise sein. Die EU griff damit die Argumentation der venezolanischen Opposition auf, die Todesopfer einseitig der Regierung anlastet. Untersuchungen venezolanischer Behörden, nach denen militante Demonstranten für zahlreiche Tote verantwortlich sind, wurden nicht beachtet. Aus der EU-Kommission hieß es zudem, es gebe ernsthafte Bedenken, ob das Wahlergebnis überhaupt anerkannt werden könnte.

Das Ergebnis vom Sonntag dokumentiere, "dass es Chancen für eine demokratische Neugestaltung in Venezuela gibt. Diese sollten dringend ergriffen werden", heißt es dagegen in einer Pressemitteilung der Linksfraktion im Bundestag am Montag. Wolfgang Gehrcke, stellvertretender Fraktionsvorsitzender betont, "ein kluge Opposition und eine kluge Regierung würden jetzt erneut in einen Verhandlungsprozess eintreten. Dazu ist Präsident Maduro offensichtlich bereit, die Opposition nicht." Stellungnahmen aus den USA, aus verschiedenen lateinamerikanischen Ländern und der EU würden die Opposition ermuntern, jetzt eine Entscheidungsschlacht auf der Straße zu suchen. Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Heike Hänsel. Die in den vergangenen Wochen und Monaten zu beobachtende einseitige Einflussnahme der Bundesregierung zugunsten der Opposition drohe die Krise in Venezuela weiter zu vertiefen, schrieb sie. Rechte Gewalttäter, von denen sich das oppositionelle Parteienbündnis Tisch der demokratischen Einheit (MUD) nach wie vor nicht glaubhaft distanziert habe, fühlten sich dadurch zur Gewalt ermutigt. "Die Bundesregierung und ihre Bündnispartner gießen damit weiter Öl ins Feuer", so Hänsel.

Das Netzwerk Cuba, ein Zusammenschluss von rund 40 Organisationen der Solidaritätsbewegung und Entwicklungshilfe, verwies indes darauf, dass die "im Hinter- bzw. Untergrund agierenden USA bereits maßgeblich am Putsch (in Venezuela im April) 2002 beteiligt" waren. Washington lasse nichts unversucht, um die Regierung in Venezuela zu schwächen, zu unterminieren und zu stürzen. "Neben direkter, verdeckter Unterstützung der Opposition erfolgt von Seiten der USA keinerlei Anstrengung, zur Deeskalation beizutragen – im Gegenteil wird eskaliert", heißt es in dem am Montag online verbreiteten Schreiben. Nach Ansicht des Netzwerks geht es den USA "neben anderen Eigeninteressen um die Zerstörung der Süd-Süd-Kooperation in Lateinamerika", die sich in Organisationen wie der Bolivarischen Allianz (Alba), der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac), dem Gemeinsamen Markt des Südens (Mercosur) und anderen Verbänden niederschlage. Mit dem Sturz der Regierung in Caracas würde zudem "ein stabiles und von den US-Eliten gehasstes Land wie Kuba indirekt sehr hart getroffen."

Die am Sonntag anwesenden 43 internationalen Wahlbegleiter haben unterdessen "die Regierungen und Völker der Welt" aufgerufen, "den Willen der venezolanischen Bevölkerung zu respektieren, der sich in diesen Wahlen ausgedrückt hat". In einem Kommuniqué, das zusammen mit dem technischen Bericht an dien Wahlrat CNE übergeben wurde, hat die vom CNE eingeladene Gruppe aus politischen Experten, Parlamentariern, Indigenen, Kleinbauern, Arbeitern und Vertretern von Wahlorganismen aus Europa, Lateinamerika und Nordamerika betont, das Recht auf Souveränität und Selbstbestimmung der Völker müsse respektiert werden. Zugleich verurteilte sie die "gigantische internationale Medienkampagne gegen die venezolanische Demokratie", die darauf abziele, Mechanismen für eine ausländische Intervention, einschließlich der militärischen Option zu schaffen. Die Wahlbehörde habe mit "Ethik und Transparenz" die geheime Wahl sowie die Zuverlässigkeit der Übertragung und Überprüfung der Daten sichergestellt. Das Wahlsystem des Landes sei in jeder Phase nachprüfbar und habe sich in 20 nationalen Wahlen als "sauber" bewährt.

Am Montagabend wurde bekannt, dass die Regierung von US-Präsident Donald Trump Sanktionen gegen Venezuelas Präsidenten verhängt hat: mögliches Vermögen, auf das die USA Zugriff haben, würde eingefroren, Geschäftsbeziehungen mit ihm verboten. Die "illegitimen Wahlen bestätigen, dass Maduro ein Diktator ist, der den Willen des venezolanischen Volkes missachtet", kommentierte US-Finanzminister Steven Mnuchin die Maßnahme. "Indem wir Maduro sanktionieren, machen die USA ihre Position zur Politik des Regimes und unsere Unterstützung für die Venezolaner klar, die ihr Land zu einer vollen und blühenden Demokratie zurückführen wollen", so der Millionär und frühere Investmentbanker.

Venezuelas Präsident wertete die Entscheidung als "Zeichen der Ohnmacht, der Verzweiflung und des Hasses" der US-Regierung und als "wütende Reaktion, weil das Volk und der Präsident von Venezuela den Befehl nicht befolgt haben", den Verfassungskonvent abzusagen. Er werde niemals "imperialen Befehlen gehorchen", so Maduro.

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