Chile / Politik

Chile: Neues Linksbündnis als dritte politische Kraft etabliert

Frente Amplio gewinnt überraschend 20 Abgeordnetensitze. Präsidentin Bachelet: Wahlergebnisse zeigen Unterstützung der Bevölkerung für den Reformprozess

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Das neue Linksbündnis Frente Amplio in Chile zieht mit 20 Abgeordneten ins Parlament ein
Das neue Linksbündnis Frente Amplio in Chile zieht mit 20 Abgeordneten ins Parlament ein

Santiago de Chile. Das linke Parteienbündnis Frente Amplio (FA) stellt nach den Parlamentswahlen in Chile vergangenen Sonntag 20 Abgeordnete und mit Juan Ignacio Latorre Riveros einen Senator für den Wahlbezirk Valparaíso. Die erst im Januar 2017 gegründete Koalition konnte sich damit als dritte politische Kraft im Land etablieren. Der größte Teil der Abgeordneten stammt aus der Partei Revolución Democratica (RD).

Die derzeitige Regierungskoalition Fuerza de la Mayoria delegiert nach den Wahlen 43 Abgeordnete und sieben Senatoren. 13 Abgeordnete und drei Senatoren stellt die christdemokratische Convergencia Democratica. 73 Abgeordnete und zwölf Senatoren zählen zum Rechtsbündnis von Sebastián Piñera Chile Vamos.

Der Wahlexperte der Universität Talca, Mauricio Morales, schätzt ein, dass das neue Parlament deutlich polarisierter und vielfältiger ist als bislang. Neben der FA konnte auch Chile Vamos von Piñera zulegen. "Im Abgeordnetenhaus gibt es sicher mehr Auseinandersetzungen, im Senat mit nur einem Sitz für die Frente Amplio eher weniger", so Morales.

Das Ergebnis wird in Chile als Anzeichen dafür gewertet, dass es in den vergangenen Jahren nicht wie vielfach behauptet einen Rechtsruck der Bevölkerung und Kritik an den Reformen von Präsidentin Michelle Bachelet gegeben habe. Vielmehr würden konsequentere Reformen eingefordert. "Die Mehrheit der Chileninnen und Chilenen hat heute gesagt, dass das Land mit den Veränderungen fortfahren und sie konsolidieren soll. Diese werden ein besseres und gerechtes Leben ermöglichen", folgerte Bachelet direkt nach den Wahlen. Explizit nannte sie das Bildungs- und das Gesundheitswesen sowie die Chancengleichheit ungeachtet von Geschlecht und Herkunft.

Alejandro Guillier, Kandidat von Fuerza de la Mayoria, muss sich nach einem eher schwachen zweiten Platz im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur inhaltlich für die Stichwahl im Dezember positionieren. Dabei muss er sowohl die Wähler aus dem Zentrum überzeugen, die im ersten Durchgang der Christdemokratin Carolina Goic die Stimmen gegeben haben, als auch das Potential der FA-Anhänger mobilisieren. Beatriz Sánchez, Präsidentschaftskandidatin des Linksbündnisses, hatte im ersten Wahlgang mehr als 20 Prozent der Stimmen erhalten.

Carolina Goic hat nach dem desaströsen Abschneiden mit nur 5,9 Prozent der Stimmen in der ersten Runde ihr Amt als Vorsitzende der Christdemokratischen Partei (DC) niedergelegt. Sie fühlte sich aus den eigenen Reihen zu wenig unterstützt. Ihre Wählerschaft wird in den nächsten Wochen sowohl vom Mitte-Rechts-Kandidaten Piñera als auch von Guillier umworben. Piñera ist auf die Stimmen aus dem christdemokratischen Lager angewiesen, denn rechnerisch gab es im ersten Wahlgang keine Mehrheit rechts der Mitte.

Die FA hat sich noch nicht entscheiden, ob sie zur Wahl Guilliers aufruft. Die grüne Partei Partido Ecologista Verde, allerdings mit nur einem Sitz der kleinste Partner im Bündnis, hatte dies bereits kategorisch ausgeschlossen. Möglicherweise wird es dazu eine öffentliche Abstimmung unter den Anhängern des Linksbündnisses geben.

Die inhaltlichen Punkte, zu denen Guillier Stellung beziehen muss, dürften vor allem die Finanzierung des Studiums durch Studienkredite sowie der Altersvorsorge über Rentenfonds sein. Sánchez hatte für die FA, die viele Anhäger in der Studentenschaft hat, betont, sich für die Abschaffung der Studienkredite und stattdessen für eine staatliche Finanzierung einzusetzen.

Einzelne Personen der FA haben indes bereits Positionen bezogen, so der Anführer des Movimiento Autonomista, Gabriel Boric. Er erklärte, man sei offen für einen Dialog mit Guillier, aber nicht über eine Regierungsbeteiligung, sondern werde "eine verantwortungsbewusste Opposition" sein. Es gebe in der Politik kein reines Entweder-Oder, es komme darauf an sich mit denen zu einigen, die andere Meinungen hätten. Als zentrale Punkte für das Bündnis nannte er eine Reichensteuer für über drei Millionen US-Dollar Privatvermögen, ein Ende der Fonds-basierten Rentenversicherung, eine einheitliche Krankenversicherung und eine Wiedereroberung des Wasser als öffentliches Gut.