Erdölindustrie in Venezuela: Dutzende Festnahmen wegen Korruptionsverdachts

Ehemaliger Minister in Haft. Auch Ex-Präsident des Staatskonzerns PdVSA festgesetzt. Großangelegte Aktion gegen Bestechung und Untreue

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Der ehemalige Erdöl- und Energieminister von Venezuela, Eulogio del Pino (li.)
Der ehemalige Erdöl- und Energieminister von Venezuela, Eulogio del Pino (li.)

Caracas. In Venezuela sind nach Medienberichten 65 teils hochrangige Vertreter aus Politik und Erdölindustrie unter Korruptionsverdacht festgenommen worden. Unter den Inhaftierten befindet sich auch der ehemalige Minister für Erdöl und Energie, Eulogio del Pino, und der Ex-Präsident der staatlichen Erdölgesellschaft PdVSA, Nelson Martínez. Nach Angaben von Generalstaatsanwalt Tarek William Saab bestehen weitere 16 Haftbefehle gegen Funktionäre. Es ist die größte Aktion der Staatsanwaltschaft gegen Korruption in der Erdölindustrie, die das Rückgrat der heftig angeschlagenen Binnen- und Exportwirtschaft des südamerikanischen Landes bildet.

Saab hatte am Donnerstag in Caracas die Festnahmen von del Pino und Martínez bekanntgegeben. Beide stehen unter Verdacht, in Korruptionsfälle bei PdVSA verstrickt zu sein. Die Festnahmen, so Saab, seien Ergebnis schon länger andauernder Ermittlungen seiner Behörde zu Korruptionsnetzwerken in den PdVSA-Subunternehmen Citgo in den USA, Citgo Petroleum Corporation und dem Mischunternehmen Petrozamora. Der nun inhaftierte del Pino war erst Ende August dieses Jahres zum Minister für Erdöl- und Energie ernannt worden.

Martínez wird offenbar beschuldigt, einen Vertrag zur Umstrukturierung der Schulden der PdVSA-Tochter Citgo ausgehandelt zu haben, "ohne dafür die notwendige Zustimmung der Regierung gehabt zu haben", so Saab. Zudem habe er Zahlen der PdVSA manipuliert und damit wirtschaftlichen Schaden für das Land riskiert. Der ehemalige Konzernchef habe dabei die Unterstützung weiterer Funktionäre genossen, die nun im Visier de Staatsanwaltschaft stehen.

Auch Eulogio del Pino wird vorgeworfen, in seiner Zeit als PdVSA-Chef in Korruptionsfälle verstrickt gewesen zu sein. Er wurde am frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit) vom Militärgeheimdienst DGCIM festgenommen und muss sich nun wegen vorsätzlicher Unterschlagung, illegalen Geschäftsabsprachen, Bildung einer kriminellen Vereinigung, Informationsmissbrauch und geschäftsschädigenden Verhaltens verantworten. Del Pino soll zudem in Sabotagefälle im russisch-venezolanischen Mischunternehmen Petrozamora verstrickt sein. Dabei seien Erdölförderraten zwischen den Jahren 2015 und 2017 manipuliert worden. In dieser Zeit war es zum nicht erklärbaren Verlust von 15 Millionen Barrel Erdöl gekommen, berichtet der lateinamerikanische Fernsehsender Telesur.

Saab verwies in seiner Pressekonferenz darauf, dass in der venezolanischen Öffentlichkeit die Frage nach den "dicken Fischen" bei der staatlichen Korruption immer vehementer gestellt worden sei. Mit den nun Festgenommenen seinen einige der Hauptverantwortlichen für Korruptionsdelikte in der Erdölindustrie des Landes gefasst worden.

Die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft richteten sich – so der Generalstaatsanwalt – gegen eine in der Erdölindustrie herrschende Kultur der Korruption. Es gehe auch darum, einen ethischen Umgang mit öffentlichen Ressourcen zu erreichen. Dafür sei es notwendig, den PdVSA-Konzern zu restrukturieren, um ihn wieder zum Motor der venezolanischen Wirtschaft zu machen.

Die Opposition reagierte zurückhaltend auf die Festnahmen. Es sei ein "Kampf zwischen Machtgruppen" im chavistischen Regierungslager, sagte Juan Guaidó von der rechtspopulistischen Partei Voluntad Popular (Volkswille). Die nun erhobenen Vorwürfe basierten auf altbekannte Daten, so Guaidó, der im oppositionell dominierten Parlament der Kommission für Finanzkontrolle angehört. Bereits im November vergangenen Jahres habe die Oppositionsmehrheit im Parlament den ehemaligen PdVSA-Präsidenten und amtierenden Botschafter Venezuelas vor den UN, Rafael Ramírez, wegen Korruption verklagt. Dabei sei es um die Veruntreuung von elf Milliarden US-Dollar und Unregelmäßigkeiten zwischen 2004 und 2014 gegangen. Die Kommission habe 1.500 Beweisdokumente vorgelegt.

Zu den untersuchten Fällen habe der Kauf von Bohrköpfen aus China für 43 Millionen US-Dollar gehört, zudem seien 787 Millionen US-Dollar aus einem staatlichen Fonds verschwunden.

José Bondas von der oppositionsnahen Erdölarbeitergewerkschaft Federación Única de Trabajadores Petroleros de Venezuela (Einheitsgewerkschaft der Erdölarbeiter Venezuelas) kritisierte, dass die Staatsanwaltschaft nun so tue, als ob sie nie von Korruptionsfällen gehört habe.

Die US-amerikanische Wirtschaftszeitung The Wall Street Journal interpretierte die Festnahmen als Zeichen dafür, dass die Regierung von Präsident Maduro angesichts des wirtschaftlichen Drucks, unter dem sie sich befindet, handeln müsse. Dies wirke sich auch auf die politische Ebene aus. "Die Unabwendbarkeit der Zahlungsunfähigkeit hat Herrn Maduro davon überzeugt, die Präsidentschaftswahlen in das zweite Quartal des kommenden Jahres vorzuziehen, deutlich vor der Deadline im Dezember, um der finanziellen Isolation zuvorzukommen, die folgen würde, wenn das Land seinen Schuldendienst nicht mehr bedienen kann", schreibt das Blatt unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten Minister. Vorgezogene Präsidentschaftswahlen würden es dem Regierungslager zudem erlauben, die Spaltung der Opposition für sich zu nutzen.

Überprüfbar sind solche auf anonyme Quellen beruhenden Angaben ebenso wenig wie die Zahlen der Opposition zu Korruption. Auf beiden Seiten des politischen Spektrums in Venezuela wird das Problem der Korruption vor allem politisch missbraucht, was es bei den gegenseitigen Vorwürfen von Regierung und Opposition stets zu beachten gilt.