Kolumbien / Politik

Kolumbien: Militär will Archive für die Wahrheitskommission öffnen

Bereitschaft zur Unterstützung der Übergangsjustiz signalisiert. Kritik an staatlichen Einsatzkräften. Wird es Wandel geben?

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Wird das Militär in Kolumbien zur Aufklärung von Verbrechen beitragen?
Wird das Militär in Kolumbien zur Aufklärung von Verbrechen beitragen?

Bogotá. Auf einem Treffen zwischen der obersten Militärführung, dem Verteidigungsminister Luis Carlos Villegas und Mitgliedern der Wahrheitskommission hat das kolumbianische Militär die Bereitschaft bekundetet, seine Archive für die Wahrheitskommission zu öffnen, um zur Wahrheitsfindung über die Ereignisse während des bewaffneten Konflikts der letzten 50 Jahre beizutragen. Dies würde wichtige Erkenntnisse über die Ursprünge und Verflechtungen der staatlichen Operationen zulassen.

Die Streitkräfte hatten sich über Jahrezehnte hinweg dagegen ausgesprochen, den Konflikt mit den Guerillagruppen wie der Farc und der ELN im politischen Dialog beizulegen. Oberste Militärs hatten stets einen militärischen Sieg gegen die linke Opposition bevorzugt. Vor diesem Hintergrund könnte diese Bereitschaftserklärung einen Wendepunkt in der Aufklärung und Friedensbildung darstellen.

Das Ziel der Arbeit der Wahrheitskommission sei die Entschädigung der Opfer des bewaffneten Konflikts, betonte der Vorsitzende der Wahrheitskommission, Francisco de Roux. Die Kommission verpflichtet sich zur Unparteilichkeit, die bei ihrer Arbeit gewonnen Erkenntnisse sollen nicht als belastendes Material vor Gericht benutzt werden. "Dieses Treffen eröffnet neue Möglichkeiten, zur Wahrheit in Kolumbien beizutragen. Durch die Informationen des Archivs und vor allem durch die Möglichkeit, die Perspektive der Angehörigen des Militärs und ihrer Familien auf die Geschichte des Konflikts einzufangen", war in einer Mitteilung der Kommission nach dem Treffen zu lesen. Das Militär gilt nach Studien unabhängiger Institutionen als der Haupturheber von Menschenrechtsverbrechen.

Die Wahrheitskommission, bestehend aus elf Mitgliedern, wurde am 5. Dezember diesen Jahres von Präsident Juan Manuel Santos gegründet und ist im Rahmen der Übergangsjustiz JEP verankert. Diese ist Bestandteil des im vergangenen Jahr unterzeichneten Friedensabkommens mit der Farc. Die Wahrheitskommission ist mit der Aufgabe betraut, Zeugenaussagen der unterschiedlichen, in den Konflikt involvierten Akteure zusammenzutragen und eine objektive Version über die Ereignisse des bewaffneten Konflikts zu erarbeiten.

Bisher hatten das Militär und die Regierung von Kolumbien eher mit einer Bevorzugung der staatlichen Kräfte für Empörung gesorgt: Das Dekret 706 zur Sonderbehandlung für Angehörige der Sicherheitskräfte im Rahmen der JEP war das erste verabschiedete Dekret nach dem Friedensabkommen. Es hebt alle Haft- und Untersuchungshaftbefehle gegen Polizisten und Militärs auf, die Verbrechen im Zusammenhang des bewaffneten Konflikts bezichtigt werden (amerika21 berichtete). Auch die wissenschaftliche Aufarbeitung des Konflikts wurde bisher von den Streitkräften behindert und einseitig beeinflusst (amerika21 berichtete). Zudem macht sich das Militär weiterhin Menschenrechtsverbrechen schuldig, wie zuletzt in Tumaco.