Puerto Rico / Politik

Puerto Rico: Nach Naturkatastrophe "eine koloniale Ruine"

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Bewohner eines Stadtteils von San Juan, der Hauptstadt von Puerto Rico, protestieren gegen den anhaltenden Stromausfall
Bewohner eines Stadtteils von San Juan, der Hauptstadt von Puerto Rico, protestieren gegen den anhaltenden Stromausfall

Havanna/San Juan. Der Delegierte der Mission Puerto Ricos in Kuba, Edwin González, hat in einem Interview mit der kubanischen Tageszeitung Granma scharfe Kritik an den fehlenden Hilfsmaßnahmen der US-Regierung nach dem Hurrikan Maria geübt. Der Wirbelsturm hatte die Karibikinsel im Oktober vergangenen Jahres heimgesucht, 250.000 Häuser wurden beschädigt. Insgesamt habe es Schäden von mehr als 90 Milliarden US-Dollar gegeben, die nun zur Schuldenlast Puerto Ricos in Höhe von 70 Milliarden US-Dollar hinzukommen.

Puerto Rico werde immer als ein Land dargestellt, das sich glücklich schätzen könne, Teil der USA zu sein, so González. Der Hurrikan Maria habe jedoch veranschaulicht, wie die Verhältnisse auf der Insel tatsächlich seien: Sie sei eine "koloniale Ruine".

Die Inselgruppe war 1898 von den USA besetzt worden und hat seit Juli 1952 den Status eines "frei assoziierten Staates der USA". Dies bedeutet einen gewissen Grad an Autonomie, wobei die Verteidigung, die Grenzregelungen und die internationale Politik von Washington bestimmt werden.

Die Wiederaufbaumaßnahmen bezeichnet González als "wahre Katastrophe". Das Hauptproblem sei der völlige Zusammenbruch der Energieversorgung gewesen. Wegen der Ineffizienz der Lokalregierung und der privatisierten Elektrizitätsversorgung hätten vier Monate nach dem Sturm 40 Prozent der Bevölkerung noch immer keinen Strom. Für 72 Prozent sei zwar wieder der Zugang zu Trinkwasser gesichert, aber nicht unter normalen Bedingungen, sondern über Pumpen. Das ganze Versorgungsnetz, an dem Schäden von 700 Millionen US-Dollar entstanden waren, müsse neu strukturiert werden.

Was den Bildungsbereich angeht, habe der Unterricht am 8. Januar wieder begonnen, aber die Hälfte der Schulen sei noch ohne Licht und nur 60 Prozent des Schulsystems funktioniere. Es gebe 6.000 bis 8.000 Schüler weniger als zuvor, da die Familien in die USA zu ihren Angehörigen gegangen sind. Sie wollten zunächst nur vorübergehend bleiben, sind aber jetzt schon vier Monate geblieben, weil sie wegen der katastrophalen Lage nach dem Hurrikan nicht nach Puerto Rico zurückkehren konnten. 200.000 Puertoricaner seien seit dem Sturm in die USA, aber sehr wenige hätten sich dort offiziell niedergelassen. Viele von seien ohne Arbeit, in Notunterkünften oder bei Familienangehörigen untergebracht.

González beklagte das "Desinteresse und die Langsamkeit" der Regierung von US-Präsident Donald Trump, um die Normalität auf der Insel wiederherzustellen. Die US-Regierung habe nach dem Durchzug des Sturmes rund 10.000 Soldaten und ein Korps von Ingenieuren geschickt. Diese hätten praktisch nichts getan, um die Krise zu lösen. Im Hafen lagen 1.200 Container mit Nahrungsmitteln, ohne dass man in der Lage gewesen wäre, diese an die Supermärkte zu verteilen. Auch die Lokalbehörden seien nicht funktionsfähig gewesen.

Die Lokalregierung spreche von 64 Toten, aber er habe den Verdacht, dass die wirkliche Zahl der Toten verschleiert werde. Diejenigen, die in einem Krankenhaus gestorben sind, weil es keinen Strom gab, seien auch Opfer des Hurrikans. Einige Medien in den USA und Puerto Rico selbst sprächen von über tausend Toten, so González.