Argentinien / Soziales

Neoliberaler Umbau in Argentinien sorgt für Spannungen

Freihandel, Staatsabbau und Arbeitsreform als Eckpfeiler der Regierungspolitik. Gewerkschaften protestieren gegen Massenentlassungen

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Macri Davos
Staatspräsident Mauricio Macri beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2014

Buenos Aires. In Argentinien plant die Gewerkschaft der Transportarbeiter für 22. Februar erneut eine Großkundgebung gegen die Regierungspolitik von Präsident Mauricio Macri. Unterstützt wird der Aufruf von den Dachverbänden CGT und CTA sowie von sozialen Organisationen. Innerhalb der CGT herrsche "große Sorge um die sozioökonomische Situation des Landes", so ihr Sprecher Juan Carlos Schmid. Man wolle auch der Strategie der Regierung entgegensteuern, die versuche, die Gewerkschaften gesellschaftlich zu delegitimieren.

Eines der Hauptziele der Regierung ist derzeit die neoliberale "Verschlankung" des Staates. Nach seiner Rückkehr von einer Europareise verkündete Präsident Macri den Abbau von 600 Beamtenstellen in Bundesministerien. Kurz darauf wurden Pläne zur Streichung von insgesamt 4.000 Stellen in der staatlichen Post publik. Zuvor waren schon hunderte Mitarbeiter im Nationalen Institut für industrielle Technologie (INTI) und in anderen staatlichen Einrichtungen auf die Straße gesetzt worden. Kurz nach Macris Amtsantritt im Dezember 2015 hatte es bereits eine erste Welle von Massenentlassungen von Staatsangestellten gegeben. Zugleich stehen der wachsenden Zahl neuer Arbeitsloser künftige Gebührenerhöhungen von bis zu 66 Prozent in der Energieversorgung und dem öffentlichen Verkehr gegenüber.

Das nationale Austeritätsprogramm der Macri-Regierung steht in direktem Zusammenhang mit ihrer außenpolitischen Annäherung an internationale Finanzinstitutionen und wirtschaftlichen Großmächte, allen voran die EU. Seine Europareise, die ihn Ende Januar nach Moskau, Paris und zum Weltwirtschaftsforum nach Davos führte, wollte Macri auch dazu nutzen, das Freihandelsabkommen zwischen der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur und der EU voranzutreiben. In Davos verstieg er sich zu der Aussage, alle Südamerikaner stammten von Europäern ab, weshalb eine Partnerschaft nur natürlich wäre. Doch auch damit konnte er den französischen Staatspräsidenten Macron nicht davon überzeugen, die europäischen Zollbeschränkungen für südamerikanische Fleisch- und Agrarprodukte aufzuheben und damit die stockenden Verhandlungen wieder in Gang zu bringen.

In der Erwartung, dadurch die dringend benötigten Investitionen aus dem Ausland zu forcieren, bringt die Regierung indes weitere zentrale "Reformvorhaben" auf den Weg. Im Februar wird im Kongress ein präsidentiales Not- und Dringlichkeitsdekret (DNU) behandelt, mit welchem Macri an der Legislative vorbei insgesamt 19 nationale Gesetze aufgehoben und weitere 140 substanziell abgeändert hat. Kritiker betonen, dass der Präsident damit seine verfassungsmäßigen Befugnisse überschreitet, da zum einen keine dringende Notlage gegeben ist und zum anderen auch Gesetzesmaterien betroffen sind, die laut Verfassung von DNU ausdrücklich ausgeschlossen sind.

Die Gesetzesänderungen reduzieren etwa die Strafen von Unternehmen bei Verstößen gegen das Arbeitsrecht, legalisieren die Pfändung von Lohneinkommen und ermöglichen die Spekulation mit Geldern des Sozialfonds auf den Finanzmärkten. 2018 wird auch mit einer bereits seit längerem angekündigten allgemeinen Arbeitsreform zu rechnen sein, von der eine weitere massive Beschneidung von Arbeitnehmerrechten zu erwarten ist, während für Unternehmer die Lohnnebenkosten gesenkt, Entlassungen vereinfacht und befristete Arbeitsverträge ausgeweitet werden sollen. Die oppositionelle Gerechtigkeitspartei (Partido Justicialista, JP) versucht das Projekt derzeit mit einer breit angelegten Unterschriftenaktion noch zu verhindern.

Die Popularitätswerte der Regierung und des Präsidenten befinden sich mit einem Zuspruch von lediglich 40 bis 42 Prozent der Bevölkerung derzeit auf einem Tiefpunkt. Der Meinungsforscher Roberto Bacman hat dafür folgende Erklärung: "Die Investitionen kommen nicht, die Wirtschaft springt nicht an, Argentinien verschuldet sich täglich mehr, das Einkommen reicht nicht bis zum Monatsende, die Inflation hat die starke Tendenz, weiter zu wachsen, und außerdem herrscht das Gefühl vor, dass die Wirtschaftsentwicklung einen unvorhersehbaren Kurs nimmt."