Richter in Chile untersucht "irreguläre Adoptionen" unter der Diktatur

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Eine Frau, die in Chile im Alter von drei Jahren nach Frankreich adoptiert wurde, sucht mit Hilfe der Organisation "Kinder und Mütter des Schweigens" nach ihrer Mutter
Eine Frau, die in Chile im Alter von drei Jahren nach Frankreich adoptiert wurde, sucht mit Hilfe der Organisation "Kinder und Mütter des Schweigens" nach ihrer Mutter

Santiago. In Chile wird wegen Adoptionen ins Ausland ermittelt, die während der zivil-militärischen Diktatur durchgeführt wurden. Der Ermittlungsrichter vom Apellationsgericht Santiago, Mario Carroza, untersucht, ob es bei mehr als 500 Adoptionen von Kindern Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Im Interview mit der Tageszeitung La Tercera erklärte er: "Diese Adoptionen scheinen irregulär zu sein, in einigen Fällen kann es sein, dass es rechtswidrige Handlungen gab." Dies sei das Ergebnis der Auswertung von Dokumenten gewesen, die bei der ehemaligen Sozialarbeiterin Telma Uribe gefunden wurden. Die Fälle, um die es geht, datieren aus der Zeit der Diktatur zwischen 1973 und 1990. Dabei wurden Kinder von Frauen in prekären Situationen meist ins Ausland zur Adoption freigegeben, ein Großteil in die USA.

Bis jetzt ist noch unklar, um wie viele Kinder genau es sich handelt, da noch nicht alle Daten ausgewertet sind. Allem Anschein nach sind es aber zahlreiche manipulierte Fälle: "Der Normalfall war, dass sie mit einer Mutter, die schwanger war oder bald gebären würde, redeten und sie fragten, was ihre Situation sei und ob sie ihnen ihr Kind aus verschiedenen Gründen überlassen könne", so Carroza weiter. Die heute 96-jährige Uribe wird mittlerweile als Verdächtige geführt.

Das Nationale Institut für Menschenrechte (INDH) verfolgt indes die Ermittlungen. Der Chef der juristischen Einheit des INDH äußerte den Verdacht, dass Kinder gekauft worden sein könnten: "Hier könnte es sich um das Verbrechen der Kindesentführung handeln."

Auch jenseits der bei Uribe aufgefundenen Akten gab es Adoptionen innerhalb Chiles sowie ins Ausland, die mit großer Wahrscheinlichkeit irregulär abliefen. Die Organisation Hijos y Madres del Silencio (Kinder und Mütter des Schweigens) versucht, Kinder und Eltern, die ihre Angehörigen suchen, zu unterstützen. Man hoffe, "dass Richter Carroza ihnen helfen wird."

Von den Regierungen geduldete oder organisierte Kindesentführungen waren in den lateinamerikanischen Militärdiktaturen der 1970er und 1980er Jahren alltäglich. Am prominentesten ist hierbei das Beispiel Argentinien, wo schwangeren politischen Gefangenen, bevor sie ermordet oder verschwunden gelassen wurden, die Säuglinge abgenommen wurden, um sie dann in Familien von Militärs oder mit ihnen kooperierenden Industrievertretern zu geben. Die Organisation Abuelas de Plaza de Mayo leistet hierbei seit Jahrzehnten Aufklärungsarbeit und bringt immer wieder neue Fälle ans Licht.