Kolumbien tritt OECD und Nato bei, Santos spricht vor Europaparlament

Globaler Partner der Nato und Mitglied im "Club der Reichen". EU verspricht weitere 15 Millionen Euro für Friedensprozess. 282 politische Morde seit 2016

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"Wir teilen gemeinsame Werte und Interessen": Nato-Generalsekretär Stoltenberg und Kolumbiens Präsident Santos am Donnerstag in Brüssel
"Wir teilen gemeinsame Werte und Interessen": Nato-Generalsekretär Stoltenberg und Kolumbiens Präsident Santos am Donnerstag in Brüssel

Brüssel/Straßburg/Paris/Bogotá. Kolumbien hat im Zuge eines Europa-Besuchs von Präsident Juan Manuel Santos den Beitritt in die Nato als "globaler Partner" zum Abschluss gebracht und ist als 37. Mitgliedsstaat in die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aufgenommen worden. Santos nutzte die Gelegenheit seines Aufenthalts auch, um eine Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg zu halten.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag in Brüssel sagte Santos, der Nordatlantikpakt sei "ein strategischer Partner für Kolumbien, um den Aufbau dieses modernen, neuen Landes weiterzuführen, das wir den nächsten Generationen überlassen wollen". Stoltenberg betonte, man teile gemeinsame Werte und Interessen. Die Zusammenarbeit mit Kolumbien habe bereits in den vergangenen fünf Jahren "echte Vorteile" für beide Seiten gebracht, etwa durch die Beteiligung des Landes an der Nato-Operation Ocean Shield am Horn von Afrika. Kolumbiens "Erfahrung in der Konfliktlösung" könne dem Bündnis "im Hinblick auf den Friedens- und Versöhnungsprozess in Afghanistan zugute kommen".

Die Außenbeauftragte der Europäischen Union (EU), Federica Mogherini, gab indes bekannt, die EU werde den Friedensprozess weiterhin finanziell unterstützen. Damit solle vor allem die wirtschaftliche Entwicklung in besonders vom bewaffneten Konflikt betroffenen Regionen gefördert werden, sagte sie nach einem Treffen mit Santos in Brüssel. Die EU sicherte zusätzliche 15 Millionen Euro für den Zeitraum von 2018 bis 2020 zu.

Nach sieben Jahren Verhandlungen hat außerdem der Rat der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Kolumbien als Partner Nummer 37 anerkannt. Präsident Santos und OECD-Generalsekretär Ángel Gurría unterzeichneten in Paris die Vereinbarung. Gurría erklärte, der Beitritt Kolumbiens werde "zu unseren Bemühungen beitragen, die OECD zu einer vielfältigeren und integrativeren Institution zu machen". Die globalen Herausforderungen könnten nur bewältigt werden, "wenn Schwellen-, Entwicklungs- und Industrieländer zusammenarbeiten". Santos bezeichnete die Aufnahme als "sehr wichtigen Schritt zur Modernisierung des Landes. Wir vergleichen uns mit den Besten, um zu den Besten zu gehören."

Mit dem Beitritt in den "Club der Reichen" bekommt die Regierung Kolumbiens die Möglichkeit, Einfluss auf Entscheidungen der OECD zu nehmen sowie an Vergleichen und Erfahrungsaustausch in öffentlichen Politikfeldern wie Gesundheit, Bildung, Arbeitsmarkt, Umwelt oder Steuern mit den 36 Mitgliedstaaten teilzunehmen. Umgekehrt kann die OECD verschiedene Bereiche der öffentlichen Politik des Landes beeinflussen. Im Rahmen des Aufnahmeprozesses hat Kolumbien mehrere Evaluierungen durchlaufen und umfangreiche Reformen umgesetzt, um seine Rechtsvorschriften, Politiken und Praktiken an die OECD-Standards anzupassen.

Der noch bis August amtierende kolumbianische Präsident hatte bei seiner Rede vor dem EU-Parlament den endgültigen Charakter des Friedensschlusses betont: "Unabhängig davon, wer mein Nachfolger wird, dieser Fortschritt hin zum Frieden ist definitiv, ist irreversibel." Zudem fasste Santos die Erfolge zusammen, die er während seiner Amtszeit erreicht habe: "Ich hinterlasse meinem Nachfolger ein Land ohne bewaffneten Konflikt mit den Farc, ein Land mit weniger Armut, mit mehr Gleichheit und mehr Arbeitsplätzen", so Santos.

Dagegen wird die aktuelle politische und soziale Lage in Kolumbien von anderen Stellen sehr kritisch bewertet. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte etwa forderte Ende März die Regierung auf, "dringende Maßnahmen" zum Schutz von Mitgliedern sozialer Bewegungen und Menschenrechtsorganisationen zu ergreifen. Hintergrund ist die anhaltende Gewalt gegen soziale Aktivisten und Mitglieder der ehemaligen Farc-Guerilla sowie der zunehmende Einfluss rechtsextremer Paramilitärs. Die für die Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte zuständige Regierungsbehörde Defensoría del Pueblo berichtet für den Zeitraum von Januar 2016 bis Februar 2018 von 282 politischen Morden.

Die aus der Guerilla hervorgegangene legale politische Partei Alternative Revolutionäre Kraft des Volkes (Farc) hat in der vergangenen Woche die Morde dreier ihrer Mitglieder beklagt. Allein in diesem Jahr seien 24 getötet worden. Auch Präsident Santos hatte am Tag zuvor eingestanden, dass seit Beginn des Friedensprozesses 40 ehemalige Guerilla-Kämpfer ermordet wurden. Die Farc spricht dagegen von über 60.

Die Linksfraktion im Europäischen Parlament (GUE/NGL) kritisierte in einer Stellungnahme am Tag der Rede von Santos "das Schweigen der USA, der EU und der lateinamerikanischen Oligarchien sowie der internationalen Organisationen und Medien zu der ernsten Situation in Kolumbien." Das Ergebnis der jüngsten Präsidentschaftswahlen mache indes "Hoffnung für progressive und demokratische Kräfte in Kolumbien mit Gustavo Petro in der zweiten Runde."

Am 17. Juni findet in Kolumbien die Stichwahl zwischen dem ultrarechten Kandidaten Iván Duque und dem Linken Gustavo Petro statt. Damit steht auch der Fortgang des Friedensprozesses zur Wahl: Der Favorit Duque fordert, den Friedensvertrag in wesentlichen Punkten zu ändern und setzt damit das Abkommen aufs Spiel. Er will auch die Gespräche mit der ELN-Guerilla nicht weiterführen.