Kolumbien / Politik

Gefährdet neuer Präsident von Kolumbien die Friedensprozesse?

Iván Duque will Friedensabkommen mit Farc ändern. Analysten befürchten Risiko für Verhandlungen mit ELN-Guerilla. Amnesty International "besorgt"

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Kolumbiens neuer Präsident Duque kündigte bei seiner ersten Rede nach dem Wahlsieg Änderungen im Friedensabkommen mit der Farc-Guerilla an
Kolumbiens neuer Präsident Duque kündigte bei seiner ersten Rede nach dem Wahlsieg Änderungen im Friedensabkommen mit der Farc-Guerilla an

Bogotá. Nach dem Wahlsieg des rechten Kandidaten Iván Duque aus dem Lager des ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe werden Bedenken über den Fortgang der Friedensprozesse in Kolumbien laut. Duque und Uribe sind erklärte Gegner der Abkommen und Verhandlungen, beide hatten in der Vergangenheit immer wieder massiv gegen die Gespräche mit den beiden größten Guerillagruppen gewettert.   

Der kolumbianische Politikanalist José Antonio Figueroa äußerte gestern Bedenken hinsichtlich des Fortgangs der Friedensgespräche mit der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) in Havanna: "Es gibt ein nicht zu unterschätzendes Risiko." Duque könnte die Gespräche beenden oder mit solch massiven Bedingungen belegen, dass dies die Weiterführung verhindere. Duque hatte bereits vorgeschlagen, die Verhandlung mit der ELN nur weiterzuführen, wenn diese sofort alle ihre Mitglieder an einem von ihm bestimmten Ort versammelt und dort ihre Waffen abgibt. Auch der linke Senator Iván Cepeda bezeichnete die Haltung Duques als Gefahr für den Frieden in Kolumbien.

Der Vorsitzende der Verhandlungsgruppe der ELN in Havanna und Mitglied der Führung der Guerilla, Pablo Beltrán, schrieb in der Zeitung Insurección zum Wahlergebnis: "Sicherlich gibt es auch im Establishment Interesse an einer demokratischen Lösung des bewaffneten Konflikts. Um allerdings ihre Privilegien gegenüber minimalsten Reformen zu sichern, ist die Mehrheit der Oligarchie bereit mit dem Teufel zu paktieren." Weiterhin gab die ELN bekannt, am Verhandlungstisch auf die kommende Gesprächsrunde zu warten. Man hoffe, der Frieden sei nicht von der Laune eines amtierenden Präsidenten abhängig. Zudem interpretierte die Guerilla die acht Millionen Stimmen für den linken Kandidaten Gustavo Petro als ein deutliches Signal dafür, dass viele Kolumbianer einen Wandel wünschen. Für diesen wolle sie sich einsetzen.

Konkret wird auch die Bedrohung für die Abkommen zwischen der ehemaligen Farc-Guerilla und der bisherigen Regierung unter Juan Manuel Santos wahrgenommen, denn Duque hat bereits drei Änderungen angekündigt. Zuerst wolle er eine Verfassungsänderung vorschlagen, mit der Drogenhandel zu den niemals amnestierbaren Delikten gehören soll. Ob damit jedoch die Amnestien für Farc-Mitglieder rechtsgültig aufgehoben und diese wieder ins Gefängnis gehen müssten ist bisher unklar.

Zweitens werde er die Sonderjustiz für den Frieden ändern: Kein Ex-Guerillero darf dann in der Politik mitmischen ohne vorher eine Haftstrafe abgesessen zu haben. Weiterhin würden staatliche Akteure eine Sonderbehandlung genießen: "Soldaten können nicht mit den Menschenrechtsverbrechern auf eine Stufe gestellt werden, schließlich wollen die Mitglieder der Farc aus der Kriminalität heraus, nicht die legitimen Streitkräfte des Landes, die sich der Verfassung und den Gesetzen unterordnen." Seitens von Opferorganisationen wird dahinter eine Verschleierung der Täterschaft vermutet: Die Wahrheitsfindung wäre unmöglich.

Drittens will Duque die Landreform kippen. Statt einer Landumverteilung, die kleine, "informelle" Betriebe wachsen lasse, soll die Agrarindustrie gestärkt werden. Großunternehmer, die "im besten Glauben" Land erworben hätten, müssten geschützt werden, sagte er weiter.

Viele dieser Punkte waren bereits im Kampf um das Plebiszit im Jahr 2016 über den zwischen Regierung und Farc ausgehandelten Friedensvertrag aufgeführt worden. Mit dem knappen Vorsprung des Nein konnte allerdings nicht alles nachjustiert werden, was die Ultrarechte damals bereits ändern wollte.

Mit einem Appell an die Vernunft reagierte die Nachfolgeorganisation der Farc, die Partei Alternative Revolutionäre Kraft des Volkes, auf den Wahlsieg und die Ankündigungen Duques. "Das Land fordert einen umfassenden Frieden, der zu der erhofften Versöhnung führt". Diesen Wunsch zu umgehen, könne nicht der Regierungsplan sein, heißt es in der Stellungnahme.

Auch Amnesty Internacional reagierte mit Sorge und forderte Duque auf, die Vereinbarungen aus dem Friedensabkommen zu respektieren und vor allem die Straftaten gegen Mitglieder sozialer Bewegungen zu ahnden. Jede Regierung habe die Aufgabe, die Straftaten der Vergangenheit aufzuklären und die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren.