Nicaragua / Politik

Aufrufe für Ende der Gewalt in Nicaragua

Appell aus dem Vatikan. Katholische Kirche nimmt Vermittlerrolle ein. Polizei fordert friedliche Proteste. Verantwortung für Tote und Verletzte umstritten

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Karte von Nicaragua mit Aufstellung der Toten während der Proteste seit dem 18. April
Karte von Nicaragua mit Aufstellung der Toten während der Proteste seit dem 18. April

Managua. In Nicaragua hat die staatliche Wahrheitskommission am Freitag inmitten einer nach wie vor angespannten Situation dazu aufgerufen, den Dialog zwischen Regierung und Opposition fortzusetzen. In dem mittelamerikanischen Land war es in den vergangenen Wochen zu einem heftigen Gewaltausbruch gekommen, der bislang nach offiziellen Angaben 209 Tote gefordert hat. Anlass war der Umgang der Regierung mit einem Waldbrand in einem Indigenengebiet sowie angekündigte Verschlechterungen in der Altersversorgung im Zuge einer Reform des Sozialversicherungssystems INSS. Die Reform wurde rasch zurückgenommen, die Proteste halten indes an. Regierungsgegner werfen Präsident Daniel Ortega Misswirtschaft und mangelndes Demokratiebewusstsein vor, während die Regierung hinter den gewaltbereiten Demonstranten ausländische Interessen sieht.

In einem Kommuniqué beklagte die "Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden" nun die bislang mangelnde Effektivität der Gespräche zwischen den politischen Lagern. Nach zwei Monaten gewaltsamer Zusammenstöße sei der einzige Verlierer das nicaraguanische Volk, heißt es in dem auch online verbreiteten Schreiben.

Bereits am vergangenen Wochenende hatte die Nationale Polizei Nicaraguas ein Kommuniqué veröffentlicht, in dem sie dazu aufrief, das menschliche Leben zu respektieren und die körperliche Unversehrtheit von Personen zu garantieren. Die Polizei wolle selbst weiter für den Frieden arbeiten, um Personen, Familien und Gemeinden Ruhe und Sicherheit zu gewährleisten.

Die Polizei in Nicaragua hatte ihren Aufruf veröffentlicht, nachdem am 30. Juni die Opposition zu einem "Marsch der Blumen" aufgerufen hatte, um erneut den vor allem jugendlichen Opfern der Ausschreitungen seit dem 18. April zu gedenken. Mehrere Menschen wurden dabei verletzt, mindestens einer kam ums Leben. Zum Ende der Strecke der Demonstranten, die durch die Hauptstadt Managua zogen, griffen nach Angaben nicaraguanischer Medien Unbekannte die Teilnehmer mit Schusswaffen und Granaten an. Vermummte hätten auf offener Straße in die Menschenmenge geschossen. Die Polizei will nun Tathergang und Schuldige ermitteln.

Erst wenige Tage vor dem "Marsch der Blumen" hatte Waldemar Stanislaw, apostolischer Nuntius, während einer Messe in der Kathedrale von Managua noch einen Aufruf des Papstes zum Frieden übermittelt: "Papst Franziskus bittet uns, alle Mitgestalter des Friedens Christi zu sein. Er ruft dazu auf, die Gewalt zu beenden, die nur unnötiges Blutvergießen verursacht." Weiter führt er aus, der Papst wünsche sich soziale Stabilität in Nicaragua zurück. Für gute Taten, Vergebung und Versöhnung sei es niemals zu spät.

Die Kirche übernimmt in Nicaragua derzeit die vermittelnde Rolle im Dialog zwischen der Regierung Daniel Ortegas und der Opposition Alianza Cíviva, die u.a. aus Studierenden und Unternehmerverbänden besteht. Sowohl Kirche als auch Opposition plädieren für ein Vorziehen der nächsten Wahlen, die für das Jahr 2021 geplant sind, auf März 2019. Die dritte Amtszeit Ortegas endet offiziell im Januar 2022.

Nachdem die Regierung auf Vorschlag des Internationalen Währungsfonds (IWF) eine Erhöhung der Rentenbeiträge und eine gleichzeitige Kürzung der Renten angekündigt hatte, kam es am 18. April erstmals zu größeren Protesten, die in Gewalt mündeten und bis heute andauern.

Wie der nicaraguanische Präsidialamtsminister Paul Oquist während einer Europareise im Gespräch mit amerika21 sagte, sieht seine Regierung den Dialog als einzigen Weg zu einer Lösung und zum Frieden. Die teilnehmenden Menschenrechtskommissionen würden jedoch offensichtlich Partei für die Opposition ergreifen. In ihren Berichten gäbe es nur einseitige Schuldzuweisungen, selbst für die Toten und Verletzten, die eindeutig auf das Konto der Opposition gehen, werde die Regierung verantwortlich gemacht. So argumentiere etwa die Organisation Amerikanischer Staaten, dass die Regierung ihrer Pflicht nicht nachkäme, die nicaraguanische Bevölkerung zu schützen und daher auch für Tote verantwortlich sei, die auf das Konto ihrer politischen Gegner gehen.