Chile / Menschenrechte

Justiz in Chile ermittelt gegen katholische Kirche wegen Kindesmissbrauchs

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Kirchenschiff der Catedral Metropolitana de Santiago, Sitz des Erzbistums Santiago, das im Zentrum der Ermittlungen wegen Kindesmissbrauch steht
Kirchenschiff der Catedral Metropolitana de Santiago, Sitz des Erzbistums Santiago, das im Zentrum der Ermittlungen wegen Kindesmissbrauch steht

Santiago de Chile. Die chilenische Oberstaatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen 158 Kirchenmitglieder, Bischöfe, Priester und Laien wegen Kindesmissbrauchs bestätigt. Seit 1960 bis heute sind 144 Fälle mit 266 Opfern bekannt, darunter 178 Minderjährige. Alle Verdächtigten waren zur Tatzeit in irgendeiner Form Mitglieder der Kirchenhierarchie oder im Laienbereich der katholischen Kirche tätig. Darunter sind auch fünf Fälle von Verschleierung und Justizbehinderung, die sich im Wesentlichen auf Bischöfe und Kardinal Ricardo Ezzati beziehen.

Der wohl spektakulärste Fall ist der von Kardinal Ezzati. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Rancagua wegen Verdunkelung im Fall des früheren Ordinariatskanzlers des Bistums Santiago, Óscar Muñoz Toledo. Dieser hatte sich im Januar dieses Jahres selbst angezeigt und ist seitdem in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen ihn in sieben Fällen von Kindesmissbrauch, drei davon betreffen seine Neffen. Er soll sich nicht nur selbst an Minderjährigen vergangen haben, sondern war darüber hinaus auch persönlich bei den Aussagen einiger Opfer Fernando Karadimas anwesend. Karadima wurde vom Vatikan wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung von Kindern und Jugendlichen verurteilt. Wegen Verjährung wurde er nie von einem ordentlichen Gericht zur Rechenschaft gezogen und lebt zurückgezogen in einem Konvent. Nicht zuletzt wegen dieser Fälle wurde dem Parlament eine Gesetzesvorlage zur Behandlung eingereicht, welche die Verjährungsfrist von sexuellen Verbrechen gegen Minderjährige auf 30 Jahre erhöhen soll.

Ezzati wird nun von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, von den Vergehen gewusst und sie gedeckt zu haben. Schließlich war Muñoz Vertrauter aus seinem engsten Umkreis. Staatsanwalt Emiliano Arias will nach eigenen Angaben mit seinen Ermittlungen zu Verurteilungen kommen und "Geschichte schreiben". Zu den Aussagen der Opfer kommt beschlagnahmtes Material als Beweismittel hinzu. Die Behörde konnte über 90 Akten aus internen kirchlichen Ermittlungen zum Thema sicherstellen, kam jedoch auch der gezielten Vernichtung von Beweismitteln auf die Spur. Die katholische Kirche legt in ihren eigenen Verfahrensregeln fest, dass alle Fälle von Vergehen oder Verbrechen den jeweiligen Bischöfen vorgelegt werden müssen. Ihr waren also nachgewiesenermaßen die sexuellen Misshandlungen bekannt, sie wurde aber selten oder gar nicht entsprechend aktiv.

Falls es in den strafrechtlichen Fällen zu Verurteilungen kommt, befürchtet die Kirche eine Welle von Entschädigungsprozessen. Cristián Amaya Aninat, Leiter der Kommunikationsabteilung des Erzbistums Santiago, hat indes signalisiert, dass man entsprechende Schadensersatzzahlungen leisten wird.

Eine erste Schadensersatzklage liegt bereits vor. James Hamilton, José Andrés Murillo und Juan Carlos Cruz, drei Opfer von Fernando Karadima, verlangen umgerechnet etwa 600.000 Euro und werden, falls es zur Verurteilung kommt, den Betrag wohltätigen Zwecken zukommen lassen.