Kampf um legalen Abbruch von Schwangerschaften in Argentinien geht weiter

Bewegung für Frauenrechte kündigt nach Ablehnung der Legalisierung weiteren Widerstand an. Novelle kann in einem Jahr erneut beantragt werden

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Frauenrechtlerinnen in Buenos Aires, Argentinien
Frauenrechtlerinnen in Buenos Aires, Argentinien

Buenos Aires. Der Senat in Argentinien hat am gestrigen Donnerstag nach einer 17-stündigen Debatte mit 38 zu 31 Stimmen eine Gesetzesvorlage für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen binnen der ersten 14 Wochen abgelehnt. Dadurch bleibt die aktuelle Gesetzeslage gültig, die medizinisch nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. Ausnahmen sieht die geltende Rechtslage in dem südamerikanischen Land für Vergewaltigungsopfer, bei Lebensgefahr für die Mutter oder bei nicht lebensfähigen Föten vor.

Die neue Vorlage, erstmalig vor 13 Jahren vorgeschlagen, war am 14. Juni vom Parlament nach einer 23-stündigen Marathonsitzung beschlossen und an den Senat zur Bestätigung überstellt worden. Der Abstimmung waren über 700 Vorträge vor der zuständigen Kommission vorausgegangen.

Auch in den letzten Wochen war über das Thema weiterhin lebhaft diskutiert worden, im Senat wurden verschiedene Änderungsvorschläge vorgelegt. Die jetzige Zurückweisung ist jedoch endgültig und erlaubt auch keine Wiedervorlage bis zum nächsten Jahr.

Die konservativen Kräfte im Lande hatten nach der Niederlage bei der Parlamentsabstimmung erst einmal versucht, die weitere Behandlung zu bremsen und dann den Druck auf die Senatoren erhöht. Senator Pedro Guastavino, der peronistische Vorsitzende des Justizausschusses, beschwerte sich über die heftigen Angriffe, die er wegen seiner Befürwortung der Gesetzesänderung "im Namen Gottes" erleiden musste. Er frage sich, ob es sich um die selbe katholische Kirche handele, die während der Militärdiktatur (1976-1983) wegschaute, "als man uns entführte und folterte, oder unsere verschwundenen Genossinnen folterte und vergewaltigte."

Bei der Abstimmung gab es keinen Parteizwang. In allen politischen Fraktionen gab es Befürworter und Gegner. Bei der Radikalen Bürgerunion (Unión Cívica Radical, UCR) gab es den höchsten Anteil an Gegenstimmen: neun von zwölf. Bei der Regierungspartei Republikanischer Vorschlag (Propuesta Republicana, PRO), der Partei von Präsident Mauricio Macri, stand es fünf zu vier Stimmen gegen die Legalisierung. Bei den restlichen Parteien waren es ähnliche Verhältnisse. Nur bei der Front für den Sieg (Frente por la Victoria, FpV) der Ex-Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner, stimmte ein hoher Anteil – acht von neun Senatoren – für die vorgeschlagene Gesetzesnovelle.

Kirchner, früher eine Gegnerin des Vorschlages, befürwortete ihn zuletzt und begründete Ihre Meinungsänderung mit den "Tausenden von jungen Mädchen, die für diese Sache auf die Straße gegangen und für die feministische Sache eingetreten sind".

Senator Pichetto, Anführer des peronistischen Blocks und parteiinterner Gegner Kirchners, begründete seine positive Stimme mit der Trennung zwischen Staat und Kirche. Die Religion dürfe einem laizistischen Staat nicht ihre Normen aufzwingen.

Die Hauptargumente der Befürworter waren die sozialen und gesundheitlichen Folgen der  illegalen Abtreibungen. Schätzungen zu Folge finden jedes Jahr zwischen 300.000 und 500.000 illegale Schwangerschaftsabbrüche statt.

Die Gegner erwiderten, die Vorlage sei verfassungswidrig und unmoralisch, sie führten Religion und den "Schutz des Lebens" an. Einige Senatoren sorgten erneut mit Skandaläußerungen für Aufsehen, so etwa der Liberalkonservative Esteban Bullrich, der vor einiger Zeit bereits mit einem Gedicht zum Thema für Heiterkeit gesorgt hatte und nun einen Vergleich zwischen Menschen und Schimpansen bemühte. Senator Rodolfo Urtubey von der peronistischen Gerechtigkeitspartei (Partido Justicialista, PJ) gab dagegen einen sehr fraglichen Kommentar über unterschiedliche Kategorien bei Vergewaltigungen ab, etwa innerhalb der Familie, der heftigen Widerspruch provozierte. 

Während der erneuten Marathondebatte versammelten sich zahlreiche Menschen vor dem Parlamentsgebäude. Als Reaktion auf die Bewegung der Befürworter, die als Symbol ein grünes Halstuch führen, bildete sich eine "Pro-Leben"-Bewegung mit hellblauen Halstüchern. Nach einer Umfrage, die von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International beauftragt wurde, sind jedoch rund 60 Prozent der Bevölkerung für das Gesetz. Vor dem Parlament war die Menge mit grünen Halstüchern auch wesentlich größer als die der Blauen. Als das Ergebnis in den frühen Morgenstunden bekannt wurde, gab es vereinzelte Proteste, denen die Polizei umgehend mit dem Einsatz von Tränengas und mit Festnahmen begegnete.

Trotz der Niederlage sehen viele der Befürworter aber etwas Positives in der Tatsache, dass man die Debatte gegen alle Widerstände so weit bringen konnte. Die Aktivistinnen und Aktivisten sind zuversichtlich, dass nächstes Jahr, wenn sich ein Teil der Senatssitze erneuert hat, ein erneuter Vorstoß erfolgreich sein könnte.