Venezuela wehrt sich gegen "Manipulation" in Berichten über Auswanderung

Lateinamerikanische Nachbarländer wollen Hilfe wegen krisenhafter Migration aus Venezuela. Regierung von Nicolás Maduro kritisiert Instrumentalisierung

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Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza bei seiner Zusammenkunft mit Vertretern der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Genf am Dienstag
Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza bei seiner Zusammenkunft mit Vertretern der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Genf am Dienstag

Caracas. Die Vizepräsidentin von Venezuela, Delcy Rodríguez, und der Minister für Kommunikation und Information, Jorge Rodríguez, haben eine "Manipulation" der Zahlen über die Migration aus Venezuela in benachbarte lateinamerikanische Länder und ihre "politische Instrumentalisierung im Rahmen einer Agenda zur Rechtfertigung einer internationalen Intervention" beklagt.

Mit einer diplomatischen Offensive tritt die Regierung von Präsident Nicolás Maduro gegen Berichte internationaler Medien über einen "Exodus aus Venezuela" an, welcher "noch die Krise in Syrien übertreffen" könne. Rodríguez traf sich in diesem Zusammenhang mit Jorge Baca, Vertreter der Internationalen Organisation für Migration (IOM), um sich über Wege zum Schutz der Menschenrechte der Migranten unter Achtung der venezolanischen Institutionen zu verständigen.

Der Außenminister Venezuelas, Jorge Arreaza, traf mit der neuen Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, zu einem Arbeitstreffen zusammen. Zudem suchte Arreaza im Hauptsitz des Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in Genf den Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, Filippo Grandi, auf und traf Vertreter der IOM. Der Außenminister betonte anschließend auf seinem Twitter-Account: "Wir kamen überein, unsere allgemeine Koordination und gemeinsame Aufmerksamkeit auf kolumbianische Bürger und Bürger anderer Flüchtlingsländer in Venezuela auszudehnen."

Indes hat Venezuela mit dem IOM Einzelheiten für eine Beschleunigung des Rückkehrerprogramms für Migranten vereinbart, die bereits in größerer Anzahl den Wunsch bekundet haben, in ihre Heimat zurückzukehren.

Anlässlich der Akkreditierung der neuen Botschafter Deutschlands, Indiens und Katars im Präsidentenpalast Miraflores, nahm auch Präsident Maduro das Thema auf. Mit Blick auf ein Treffen der Lima-Gruppe, einem Zusammenschluss meist rechtsgerichteter Regierungen Lateinamerikas und der Karibik, bei dem unter anderem Kolumbien, Brasilien, Ecuador und Peru, die eine verstärkte Zuwanderung aus Venezuela erleben, finanzielle und technische Hilfe durch die Vereinten Nationen gefordert haben, erklärte er, dass Venezuela 5,6 Millionen Kolumbianer aufgenommen habe. Der Regierungschef führte weiter aus, dass zwölf Millionen Kolumbianer in die USA, nach Europa, Costa Rica, Panama, Ecuador, Peru, Chile, Brasilien und Argentinien geflohen seien. "Schauen Sie sich den Kontrast an: Venezuela beherbergt 30 Prozent der Migranten, die aus dem Ausland kommen. Und bei Kolumbien stehen die 30 Prozent für seine Bevölkerung, die weggegangen sind."

"Hier leben 5,6 Millionen Kolumbianer und erhalten Arbeit, Gehalt, Gesundheit, Bildung und Wohnen in Venezuela, und wir haben uns nicht beschwert. Wir gehen nicht in die Welt hinaus und sagen: 'Wir brauchen Hilfe' angesichts der kolumbianischen Migration", hielt das venezolanische Staatsoberhaupt in Erklärungen gegenüber den Medien der Berichterstattung entgegen.

Gleichzeitig rief Maduro die Venezolaner, die das Land wegen der schweren Wirtschaftskrise verlassen haben, auf, "das Reinigen von Toiletten" im Ausland einzustellen und zum Aufbau der Heimat zurückzukehren.

In den vergangenen Wochen hatten nicht nur die wesentlichen internationalen Medien, sondern auch die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) von einer "beispiellosen Migrationskrise" berichtet. Die US-dominierte Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die Lima-Gruppe sowie die ständige Vertreterin der USA bei den Vereinten Nationen, Nikky Haley, riefen konzertiert zum Druck auf die venezolanische Regierung auf, die als Verursacher von verstärkter Migration die Stabilität in der Region bedrohe.

Ein im August 2018 vom IOM erstellter Situationsbericht über die Migrationsbewegungen zeigt, dass von 2015 bis 2018 in lateinamerikanischen und karibischen Ländern 600.000 Anfragen nach temporärem Aufenthaltsstatus oder Aufenthalt nach anderen Regularien durch Venezolaner gestellt worden sind. IOM wie auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR stellen als Ursache der Migration die wirtschaftliche Lage in Venezuela fest. Da Migration unter den Bedingungen einer schweren Wirtschaftskrise einen hohen Anteil nicht registrierter Personen enthalten kann, finden sich bei IOM und UNHCR für den genannten Zeitraum Zahlen von 1,5 bis 2,3 Millionen aus Venezuela abgewanderter Menschen bei einer Gesamteinwohnerschaft von gut 31 Millionen.

Die Zahlen über kolumbianische Migranten in Venezuela sind seit Jahren umstritten und Gegenstand politischer Debatten. Während die Regierung Venezuelas die Zahl mit 5,6 Millionen kolumbianischen Migranten sehr hoch ansetzt, lebten laut der letzten Volksbefragung in Jahr 2011 exakt 721.791 Personen in Venezuela, die in Kolumbien geboren wurden. Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge bezifferte die Zahl im Jahr 2015 auf rund 173.000 Personen. Die hohe Zahl der venezolanischen Regierung begründet sich offenbar darin, dass sie auch Familienangehörige und in Venezuela geborene Nachkommen kolumbianischer Einwanderer mitzählt.