Unabhängigkeitsfeiern in Guatemala unter starken Protesten

Demonstrationen gegen Präsident Jimmy Morales und für Internationale Kommission gegen Straflosigkeit. Verfassungsgericht weist Morales in die Schranken

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Die Proteste in Guatemala gegen Präsident Jimmy Morales und die Korruption nehmen weiter zu
Die Proteste in Guatemala gegen Präsident Jimmy Morales und die Korruption nehmen weiter zu

Guatemala-Stadt. Trotz des massiven Aufgebots an Sicherheitskräften und Straßensperren durch die Polizei fanden im ganzen Land rund um den Unabhängikeitstag am 15. September zahlreiche Protestumzüge gegen Präsident Jimmy Morales und für die Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) statt.

Der Unabhängigkeitstag Guatemalas wird traditionell mit feierlichen Umzügen von Schülerinnen und Schülern begangen. Wie auch schon im vergangenen Jahr versuchte Präsident Jimmy Morales gegen ihn gerichtete Proteste und Rücktrittsforderungen zu unterbinden. Die Spannungen und Demonstrationen sind dieses Jahr noch bedeutend größer als 2017 und halten nun bereits zwei Wochen an.

Am 31. August 2018 trat der Präsident umringt von Militärs und Polizisten an die Öffentlichkeit, um der Bevölkerung mitzuteilen, er werde das im September 2019 auslaufende Mandat der CICIG nicht verlängern. Die Erklärung fand verspätet statt und nachdem Militärpanzer vor dem Büro der CICIG sowie der US-Botschaft und dem Obersten Gericht vorgefahren waren. Dem Gericht wurde vorübergehend der Strom abgeschaltet und nach nicht bestätigten Berichten soll das Militär gedroht haben, den internationalen Kommissionär Iván Velásquez aus seinem Büro zu entführen und außer Landes zu bringen. Der martialische Auftritt, die landesweite erhöhte Präsenz von Militär und Polizei sowie ein weitreichender Stromausfall außerhalb der Hauptstadt erinnerten an frühere Militärputsche.

Nachdem Velásquez am 3. September eine geplante Dienstreise in die USA antrat, erklärte Jimmy Morales den Kommissionär zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit“ und untersagte ihm die Wiedereinreise. Damit stellte er sich gegen einen Beschluss des Verfassungsgerichts von 2017, der dem Präsidenten jede Behinderung der Arbeit der CICIG untersagt. Morales betonte, er sei nicht verpflichtet Anweisungen zu folgen, die seiner Meinung nach im Widerspruch zur Verfassung stünden. Nun ordnete das Verfassungsgericht in der Nacht zum Montag an, dass Velásquez unverzüglich die Einreise gewährt werden muss und verwies auf den Beschluss vom vergangenen Jahr.

Im Raum steht noch, ob die Regierung bis 18. September an die fünfzig offene Visaanträge für internationale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der CICIG verlängern wird.

Hintergrund des Konflikts sind sowohl persönliche Interessen des Präsidenten – ein Bruder und ein Sohn von ihm sind der Korruption beschuldigt, gegen ihn selbst laufen mehrere Anträge auf Aufhebung der Immunität wegen Korruptionsfällen – als auch zahlreicher Regierungsmitglieder und Abgeordneter. Die CICIG hatte im August gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft gefordert, die Immunität Morales' für ein Verfahren wegen illegaler Wahlkampffinanzierung aufzuheben. Einige Gesetzesreformen, die der Kongress verabschiedet hatte, bekämpfen in ihrer aktuell gültigen Version Korruption effizienter, stärken das Justizsystem und reformieren das Wahl- und Parteiensystem. Zahlreichen Abgeordneten sowie dem Präsidenten droht mit Ablauf ihrer Legislaturperiode Anfang 2020 das gleiche Schicksal wie den beiden vorangegangenen Präsidenten: das Gefängnis.

Die Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (Comisión Internacional contra la Impunidad en Guatemala), eine Körperschaft der Vereinten Nationen, war im Jahr 2006 eingerichtet worden, um kriminelle Strukturen im Staatsapparat aufzudecken. Der kolumbianische Richter Iván Velásquez, der bereits in seinem Heimatland Verflechtungen zwischen Mafias und Regierungskreisen aufgedeckt hatte, übernahm ihre Leitung im Oktober 2013. Seit April 2015 tritt die CICIG mit Informationen aus mittlerweile mehr als 30 hochrangigen Korruptionsfällen an die Öffentlichkeit, konnte mehr als 400 Verhaftungen erreichen und ist im Land höchst populär. So wenden sich nun zum Beispiel indigene Autoritäten an die UN, bitten um die Weiterführung der CICIG und bieten an, diese an jedem beliebigen Platz auf ihren Territorien anzusiedeln. Jugendliche in der zweitgrößten Stadt Quetzaltenango, denen Plakate mit politischen Botschaften bei den Umzügen verboten worden waren, präsentierten ein populäres Lied, das sie mit einem Text gegen den Präsidenten und die Abgeordneten versahen.

Für den 20. September ist ein Generalstreik angekündigt.