Brasilien / Politik

Bolsonaro und Haddad treffen in Brasilien in Stichwahl aufeinander

Rechtspopulist kratzt an 50 Prozent. Linker mit Chancen in Stichwahl. Stimmenthaltungen bei 30 Prozent. Angriffe auf Journalisten

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Haddad und Bolsonaro werden sich in der Stichwahl wiedersehen
Haddad und Bolsonaro werden sich in der Stichwahl wiedersehen

Brasília/Rio de Janeiro/Berlin. Mit 46 bzw. 29 Prozent haben sich bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien am Sonntag der rechtsextreme Kandidat Jair Bolsonaro (PSL) sowie der linksgerichtete Fernando Haddad von der Arbeiterpartei (PT) im ersten Wahlgang durchgesetzt. Dem Ex-Militär Bolsonaro fehlen demnach nur vier Prozent, um bei der Stichwahl zur Präsidentschaft am 28. Oktober als Sieger hervorzugehen. Analysten halten es dennoch für nicht ausgeschlossen, dass Haddad die fehlenden 21 Prozent der Stimmen von den unterlegenden Kandidaten für sich gewinnen wird. Parallel zur gestrigen Präsidentschaftswahl fanden an vielen Orten auch Kongress- und Gouverneurswahlen statt.

Bolsonaro habe das maximale Potential an Stimmen fast ausgeschöpft, erklärte der Wahlanalyst Antonio Lavareda in der Wahlberichterstattung auf Band TV. "Die Anhänger der unterlegenden Kandidaten, die für Bolsonaro stimmen könnten, haben es bereits bei dieser Wahl getan". Dabei seien sie dem Ruf des Rechtsaußen-Kandidaten gefolgt, die Wahl müsse im ersten Gang entschieden werden, um eine Wiederwahl der PT zu verhindern. Seine Strategie ging fast auf. In den vergangenen drei Tagen hatte Bolsonaro um sechs Prozent zugelegt, während die Umfragewerte von Haddad stabil geblieben seien, so Lavareda. Eine diffuse Ablehnung gegenüber der linksgerichteten Arbeiterpartei und damit ihres Kandidaten Haddad sei das Hauptmotiv vieler Wähler, die ihre Stimme vom Zentrum zum extrem rechten Rand verlagert hätten.

Unter der Polarisierung des politischen Spektrums litten die anderen Kandidaten, die Verluste ihrer Stammwähler erlitten. Abgeschieden landeten der Sozialdemokrat Ciro Gomes (PDT) bei knapp 13 Prozent, der neoliberale Geraldo Alckmin (PSDB) bei nicht einmal fünf Prozent und der liberale Zentrumspolitiker João Amoêdo (Novo) bei 2,5 Prozent. Sechs weitere Kandidaten erreichten jeweils nicht mehr als ein Prozent. Darunter die Grüne Marina Silva (Rede) und der Sozialist Guilherme Boulos (PSOL).

Der Parteienforscher Fernando Schüler sagte voraus, dass die übergroße Mehrheit der verbliebenen Stimmen der neoliberalen und Zentrumsrechten an Haddad gehen werde – aus Ablehnung gegenüber Bolsonaro. Dennoch wird es äußerst knapp. Die kommenden drei Wochen werden durch den Lagerkampf bestimmt sein, so Schüler weiter. "Haddad wird auf die Themen Demokratie, Minderheitenrechte und die Gefahr des Autoritarismus durch eine Regierung unter Bolsonaro setzen. Bolsonaro wird die Anti-PT-Karte spielen. Er wird Haddad als Vehikel Lulas darstellen und die PT mit Versäumnissen in der Vergangenheit in Verbindung setzen wollen."

Entscheidend könnten auch die 20 Prozent der Nichtwähler sein, die bei der Stichwahl eventuell doch noch gegen einen der beiden stimmen wollen. Zusammen mit den sogenannten Null- oder Weiß-Stimmen hat sich fast ein Drittel der Wahlberechtigten der Stimme enthalten. In Brasilien herrscht Wahlpflicht.

Eine wichtige Rolle werden die Medien spielen, so Analyst Lavareda. Es komme darauf an, inwieweit sie den jeweiligen Diskurs der Kandidaten reproduzieren oder diese auch auf die Parteiprogramme abfragen, prognostizierte Lavareda. Hierbei hätte Haddad bessere Karten, da dieser mehr zu bieten habe. Während jedoch die traditionellen Medien zu Haddad tendieren, passiert in den Sozialen Medien viel für Bolsonaro, so Lavareda weiter.

Der Wahltag selbst war durch mehrere Angriffe auf Journalisten durch Anhänger Bolsonaros geprägt. In Rio drängten Rechte unter Gewaltandrohung ein Team von TV-Globo von einer Kundgebung zurück. In Recife bedrohten und verletzten Fans des evangelikalen Ex-Soldaten eine Journalistin. Bolsonaro hat sich immer wieder durch frauenfeindliche Parolen hervorgetan.

Die Wahl weist eine deutliche Spaltung des Wählerverhaltens nach Region auf. Im reichen Südosten des Landes legte Bolsonaro Rekordergebnisse hin; im armen, ländlich geprägten Nordosten ging der PT-Kandidat fast überall als deutlicher Sieger hervor. In Rio de Janeiro, dem Heimatstaat des rechtsextremen Bolsonaro, vereinte dieser rund 60 Prozent auf sich; Haddad kam auf 15 Prozent. Im nordöstlichen Piauí holte Haddad 60 und Bolsonaro 20 Prozent.

Doch grundsätzlich zeigen die Ergebnisse der verschiedenen Wahlen für den Kongress oder das Amt zum Gouverneursposten eine allgemeine Schwächung linker Parteien und einen weiteren Rechtsschwenk auf. Vielerorts landeten die Kandidaten, die ihre Unterstützung für Bolsonaro bekundet hatten, auf den ersten Plätzen. Im Südosten haben mit João Doria (PSDB) in São Paulo, Romeu Zema (Novo) in Minas Gerais und Wilson Witzel (PSC) in Rio de Janeiro jeweils evangelikale "Saubermänner" eine hohe Chance, in der Stichwahl zum Gouverneur gewählt zu werden.

Gleichzeitig unterlagen Galionsfiguren der PT entgegen den Umfragen ihren konservativen oder neoliberalen Gegenkandidaten. Der amtierende Gouverneur von Minas Gerais, Fernando Pimentel (PT), schaffte es mit 23 Prozent nur noch auf den dritten Platz. Auch die frühere Präsidentin, Dilma Rousseff, unterlag im selben Bundesstaat ihren Gegnern bei der Wahl zur Senatorin. Während sie in den Umfragen noch vorne lag, landete sie mit nur 15 Prozent auf dem vierten Platz. In São Paulo führte einer der beliebtesten PT-Senatoren, Eduardo Suplicy, lange in den Umfragen und wurde am Ende mit rund 13 Prozent nicht wiedergewählt.

Die PT und alliierte linke Parteien behielten jedoch eindrucksvoll ihre Vormacht im Nordosten des Landes, der vielerorts ländlich und von Armut arm geprägt ist. Beispielsweise wurde der amtierende Gouverneur von Ceará, Camilo Santana (PT), mit 78 Prozent wiedergewählt, der PT-Gouverneur von Bahia, Rui Costa, holte ebenso 75 Prozent.

Zuvor war bekannt geworden, dass 5,6 Millionen Brasilianer von der Wahl ausgeschlossen wurden, etwa vier Prozent der wahlfähigen Bevölkerung. Grund dafür sei die Tatsache, dass die Betroffenen ihre Fingerabdrücke nicht registriert hätten, um mit dem neuen, biometrischen digitalen System zu wählen, begründete das Oberste Wahlgericht (TSE) die Entscheidung. Die Betroffenen stammen zum Großteil aus Nordosten des Landes, der Hochburg der Arbeiterpartei (PT), schreibt Carta Capital. Kritiker verwiesen darauf, dass nach Bekanntwerden der Entscheidung viele Wähler keine ausreichend Möglichkeiten mehr zur korrekten Anmeldung hatten.