"Diktatur" bis "Putschversuch": Deutsche Politik bewertet Lage in Venezuela unterschiedlich

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Anhänger von Präsident Maduro in Venezuela
Anhänger von Präsident Maduro in Venezuela

Berlin/Caracas. Die Bundesregierung will den venezolanischen Parlamentschef Juan Guaidó laut Regierungssprecher Seibert gegebenenfalls als Interimspräsidenten anerkennen. Der amtierende Präsident Nicolás Maduro habe im vergangenen Jahr auf Grundlage von Wahlen eine zweite Amtszeit gesichert, die in "keiner Weise" demokratisch gewesen seien, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Er kann daher nicht der legitime Führer Venezuelas sein", so Seibert weiter. Die Bundesregierung spreche sich auf EU-Ebene dafür aus, Guaidó als Interimspräsident anzuerkennen, "sofern es nicht umgehend zu freien und fairen Wahlen kommt".

Eine entsprechende Linie war von Regierungsparteien, aber auch der FDP und Teilen der Grünen gefordert worden. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir sagte etwa: "Deutschland sollte Guaidó als neuen Präsidenten anerkennen." Man müsse "dem leidgeprüften Land schnell helfen beim Wiederaufbau". Alles werde jetzt benötigt, vor allem erstmal Lebensmittel, dann Hilfe bei der Infrastruktur, für das eigentlich reiche Land, so Özdemir gegenüber der Bild-Zeitung.

Auch der CDU-Außenpolitiker Elmar Brok habe die Anerkennung Guaidós gefordert. Die Bild-Zeitung zitiert den scheidenden EU-Politiker: "Die Menschen in Venezuela verhungern, weil der korrupte, abgewählte Präsident Maduro sich illegal an der Macht hält." Die EU solle sich hinter den vom Parlament legitimierten Juan Guaidó stellen. "Er wäre als Übergangspräsident vom Volk akzeptiert", so Brok.

Radikal anders beurteilte einzig die Linkspartei die Lage: "Die Bundesregierung muss den Putschversuch in Venezuela verurteilen. Bundesaußenminister Heiko Maas muss im UN-Sicherheitsrat die völkerrechtswidrige Anerkennung eines nicht gewählten Gegenpräsidenten durch US-Präsident Donald Trump und die unverhohlenen Drohungen mit militärischen Schritten gegen Venezuela strikt zurückweisen. Deutschland darf sich nicht zum schweigenden Komplizen der rücksichtslosen und brandgefährlichen Regime-Change-Politik der USA in Lateinamerika machen", sagte Heike Hänsel, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag.

"Die Unterstützung des Putschversuchs in Venezuela und die angekündigte Anerkennung von Juan Guaidó als Interimspräsident Venezuelas durch Bundeskanzlerin Angela Merkel ist ein außenpolitisch verheerendes Signal", sagte Sevim Dagdelen, ebenfalls stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion. Die Bundesregierung stellte sich damit offen hinter den völkerrechtswidrigen Konfrontationskurs von US-Präsident Donald Trump. "Die Bundesregierung muss einer US-Militärintervention in Venezuela eine Absage erteilen", so Dagdelen weiter: Die einseitige ausländische Anerkennung von Juan Guaidó als Gegenpräsidenten helfe nicht dabei, die Konfrontation in Venezuela zu beenden. Die Zeiten, in denen die USA bestimmt haben, wer Staatschef eines Landes wird, müssten endlich der Vergangenheit angehören. "Bundesregierung und EU müssen auf All-Parteien-Gespräche in Venezuela drängen. Nur so können die wirtschaftlichen und politischen Konflikte gelöst werden", meinte Dagdelen.

Lateinamerika-Experten äußern sich indes zurückhaltend zu Lage und Perspektiven des venezolanischen Konfliktes. Vor wenigen Tagen habe sich ereignet, "was von vielen erwartet, von US-Vizepräsident Mike Pence gefordert, aber auch von nicht wenigen gefürchtet worden war“, sagte Michael Langer von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Caracas. Auf einer Großkundgebung in Caracas habe sich Guaidó zum Staatspräsidenten von Venezuela proklamiert. Dieses Vorgehen sei mit wichtigen Oppositionsparteien aber nicht abgesprochen gewesen, so Langer weiter.

Der Lateinamerika-Experte Günther Maihold von der deutschen regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik hält es für verfrüht, einen Regimewechsel zu erwarten. Bislang hätten Massen auf den Straßen noch nicht gereicht, um Maduros "Herrschaftsapparat" zu stürzen, sagte Maihold gegenüber der ARD. Es gebe keine geeinte Opposition im Land.