Brasilien: Regierung verstärkt Druck auf indigene Bevölkerung

Umweltminister äußert sich abwertend über Umweltschützer. Regierung will flexiblere Lizenzen vergeben, um Indigenenreservate aufzuheben

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Der brasilianische Umweltminister Ricardo Salles mit Indigenen in Brasilien
Der brasilianische Umweltminister Ricardo Salles mit Indigenen in Brasilien

Brasília. Äußerungen des brasilianischen Umweltministers Ricardo Salles haben der Absicht von Präsident Jair Bolsonaro, die Reservate der Indigenen an Viehzüchter, die Landwirtschaft und ausländische Bergbaunternehmen verkaufen zu wollen, weiter Nachdruck verliehen. Eines der Hauptversprechen Bolsonaros vor seiner Wahl war es, den indigenen Völkern "keinen Zentimeter Land" zu überlassen. Mit "flexibleren Umweltlizenzen", die Investitionen und Nutzung transnationaler Unternehmen in diesen Gebieten ermöglichen, droht den Reservaten nun der Ausverkauf. Xilonem Clarke von der globalen Bewegung Survival International erklärte, dass die Politik des brasilianischen Präsidenten eine offene Kriegserklärung an die indigene Bevölkerung darstelle.

Eine der ersten Entscheidungen des Präsidenten nach der Amtsübernahme Anfang Januar war, die Befugnisse der Nationalen Indigenenbehörde (Funai), die für die Zuteilung von Land an Indigene und Bauern zuständige Behörde, auf das Landwirtschaftsministerium von Tereza Cristina Costa zu übertragen. Die Beamtin ist nicht nur im Kongress als die "Muse des Giftes " bekannt, seit sie 2018 ein Gesetz genehmigte, das den Einsatz weiterer giftiger Pestizide auf den Feldern des Landes erlaubte.

Bolsonaro hat stets betont, dass die traditionellen brasilianischen Völker "von ideologischen Gruppen der Linken" manipuliert werden, die durch "eine internationale Verschwörung" versuchen, den Amazonas und seine Rohstoffe aus Brasilien zu rauben. Der ultrarechte Führer wies bei unterschiedlichen Anlässen stets auf seine Absicht hin, mit der indigenen Bevölkerung Brasiliens durch eine erzwungene Assimilation Schluss zu machen, entsprechend der "effizienten US-Politik, welche die Indianer ausgerottet hat".

Die staatliche Politik der Regierung von Bolsonaro beruht auf einer totalen Enteignung der indigenen Gemeinschaften. Der Minister für institutionelle Sicherheit, Augusto Heleno, hat seine Meinung zum Ausdruck gebracht, dass die "Ureinwohner beabsichtigten, sich mit Hilfe von Gruppen, die sich gegen die Regierung stellen, für unabhängig zu erklären". Dagegen wolle die Regierung mit aller Härte vorgehen.

Der Umweltminister Ricardo Salles vertritt ähnliche Ansichten wie Heleno. Im TV-Programm "Roda Viva" von TV Cultura wurde er vor seiner ersten Reise, die ihn in das Amazonasgebiet führen soll, gefragt, was er über Chico Mendes denkt. Chico Mendes war einer der bekanntesten Umweltaktiven weltweit. Er begann im Alter von 31 Jahren als Aktivist zur Verteidigung des Amazonas und wurde 1988 in seiner Heimatstadt Xapuri ermordet. Nach seinem Tod wurde Mendes zu einer Ikone des Kampfs um die Erhaltung des Amazonas. Er wurde von internationalen Organisationen, allen voran der UNO, ebenso geehrt wie von bekannten Künstlern wie dem Briten Paul McCartney und der mexikanischen Band Maná.

Selles sagte dazu nur: "Ich kenne Chico Mendes nicht. Ich spreche vorsichtig über die Dinge, die ich nicht kenne. Ich höre Geschichten aus der ganzen Welt. Auf der Seite der Umweltschützer, die mehr mit der Linken verbunden sind, findet eine Glorifizierung von Chico Mendes statt." Und der Umweltminister ergänzte: "Fakt ist, dass es irrelevant ist. Welchen Unterschied macht es, wer Chico Mendes ist? Ich bin sehr pragmatisch und die UNO macht auch viele Fehler und erkennt vieles Falsche an".

Diese Aussagen kritisierte die frühere Umweltministerin Marina Silva mit den Worten, der aktuelle Fachminister sei "nicht informiert", da er kein Umweltschützer sei. "Chico ist weltweit anerkannt. Trotz Salles Unwissenheit bleibt Chicos Kampf lebendig!"

Marina Amorim Rebelo dos Santos, eine bekannte brasilianische Aktivistin im Kampf um die Rechte der Indigenen und Sprecherin der Kariri-Xokó erklärte gegenüber Amerika21:

"Chico Mendes ist ein brasilianischer Held, der sein Leben gegeben hat, um den Amazonaswald und seine traditionelle Bevölkerung zu verteidigen. Er war ein Gummi-Zapfer und kämpfte gegen die Rancher und die Regierung. Chico war eine Bedrohung für die Politik des Fortschritts, der die Welt auf diese nicht besonders bekannte brasilianische Region aufmerksam machte und von der UNO und der Welt anerkannt und gewürdigt wurde. Nun wiederholt sich die Geschichte in Brasilien. Auf der einen Seite stehen die Umweltaktivisten und die Bevölkerung der Wälder und auf der anderen die Landwirte und die Regierung. Und nun will der Umweltminister Chico Mendes wieder töten! Wer Chico Mendes war, weiß die ganze Welt. Aber wer ist eigentlich Ricardo Salles?"