Politische Auseinandersetzungen in Argentinien nehmen wieder Fahrt auf

Kritik und Proteste nach Rede von Präsident Macri im Kongress. Gewerkschaften und soziale Organisationen planen neuen Generalstreik

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Proteste in Buenos Aires gegen die Politik der Regierung Macri am vergangenen Freitag
Proteste in Buenos Aires gegen die Politik der Regierung Macri am vergangenen Freitag

Buenos Aires. Zehntausende Menschen haben sich vergangenen Freitag in Buenos Aires und anderen Teilen des Landes erneut zu Protestkundgebungen zusammengefunden. Seit zweieinhalb Monaten bringen wöchentlich große Teile der argentinischen Bevölkerung in "Ruidazos“ (Lärmproteste) lautstark ihre Ablehnung der Politik der Regierung von Präsident Mauricio Macri zum Ausdruck. Zusätzlicher Anlass für die Proteste war dieses Mal die Rede, die der Präsident am selben Tag aus Anlass der Wiederaufnahme der ordentlichen Sitzungen nach der Sommerpause im weiträumig abgeriegelten Kongress gehalten hat.

Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im Oktober dieses Jahres versuchte Macri dabei ein möglichst positives Bild seiner Regierungspolitik zu zeichnen. Die Schwerpunkte seiner Rede legte er auf den Kampf gegen die Korruption und den Drogenhandel sowie die erreichte Öffnung des Landes für ausländisches Kapital. Die allgemeine ökonomische Situation betreffend verstieg er sich zu der Behauptung, Argentinien sei heute "besser aufgestellt" als zum Zeitpunkt seines Amtsantritts im Dezember 2015. Dem widersprechen freilich fast alle ökonomischen Indikatoren. Die Inflation lag 2018 bei 47 Prozent und war damit die höchste seit 27 Jahren. Damit einher geht ein durchschnittlicher Reallohnverlust von 11 Prozent im Jahr 2018 und von 13 Prozent während Macris gesamter Amtszeit. Als Folge lebte 2018 mehr als ein Drittel aller Argentinier in Armut, der höchste Wert in zehn Jahren. Für 2019 sagt die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen eine weitere Rezession voraus mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit von aktuell 9,5 auf 10 Prozent, wobei die Hälfte aller Arbeitenden prekär im informellen Sektor beschäftigt ist. Zudem liegt die argentinische Auslandsverschuldung derzeit bei beinahe 100 Prozent des BIP und ist damit die mit Abstand höchste in der gesamten Region.

In den vergangenen Wochen haben sich daher die sozialen und politischen Spannungen im Land weiter verschärft. Zahlreiche Gruppierungen riefen zu Widerstandsaktionen auf. Die Argentinische Landarbeiterunion (UTT) machte vergangenen Mittwoch in Buenos Aires und anderen Städten auf die prekäre Situation der besitzlosen Landarbeiter aufmerksam und forderte die Umsetzung eines Gesetzentwurfs für das Recht auf Landbesitz sowie staatlich geförderte Kredite. Um die schwierige Marktsituation für ihre Produkte sichtbar zu machen, verteilten sie zudem gratis mehr als 20 Tonnen Gemüse. Zwei Wochen davor hatte die Polizei in Buenos Aires eine ähnliche Kundgebung mit Tränengas und Gummigeschossen aufgelöst. Am Dienstag vergangener Woche demonstrierten die sozialen Organisationen der Piqueteros gegen die erneute Erhöhung der Stromtarife, welche die ärmsten Schichten der Bevölkerung am härtesten trifft. Zeitgleich versammelte die Gewerkschaft der Transportarbeiter rund 10.000 Personen vor einem Abfüllwerk für Coca Cola in Buenos Aires, um gegen die geplante Entlassung von Arbeitern des Betriebs zu protestieren.

Das lose gewerkschaftliche Bündnis 21F, benannt nach den Massenprotesten mit bis zu 400.000 Teilnehmern am 21. Februar des Vorjahres, ruft in einem nationalen Aktionsplan zu weiteren Protesten in den kommenden Wochen und Monaten auf. Damit sollen Maßnahmen gegen die laufenden Tariferhöhungen, gegen Massenentlassungen, die Verfolgung von Gewerkschaftern und die allgemeine ökonomische Situation gesetzt werden. Zudem peilt das Bündnis einen weiteren landesweiten Generalstreik an, den fünften in der Amtszeit der Regierung Macri. Das Bündnis 21F vereint unter seinem Schirm mehr als 1.500 gewerkschaftliche, soziale und politische Organisationen sowie auch Teile der beiden konkurrierenden Gewerkschaftsdachverbände CGT und CTA.