Schlechte Zwischenbilanz für Präsident Alvarado in Costa Rica

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Costa Ricas Präsident Alvarado zieht eine gemischte Zwischenbilanz
Costa Ricas Präsident Alvarado zieht eine gemischte Zwischenbilanz

San José. Costa Ricas Präsident Carlos Alvarado hat unlängst das erste Jahr seiner Amtszeit in einer Regierungserklärung vor dem Parlament bilanziert. "Es sind keine einfachen zwölf Monate gewesen", fasste der amtierende costa-ricanische Staatschef darin zusammen. Er versuchte dennoch, seine bisherige Präsidentschaft als Erfolg zu verkaufen. Umfragen sehen die Gunst der Wähler für die regierende sozialdemokratischen PAC (Bürgeraktion) jedoch seit Amtsantritt stabil bei etwa 30 Prozent.

Besonders die 2018 erfolgte Haushalts- und Finanzreform verteidigte Alvarado vor Parlament und Öffentlichkeit. Das Anfang 2019 in Kraft getretene Reformpaket beinhaltet unter anderem Kürzungen der öffentlichen Beschäftigung wie auch Steuererhöhungen. Bereits im Wahlkampf hatte Alvarado dies als einziges Mittel zur Bekämpfung der steigenden Staatsverschuldung beworben. Gegen das Vorhaben hatten Gewerkschaften wochenlang erfolglos gestreikt. Diese waren die längsten Streiks in der Geschichte des Landes.

Trotz Umsetzung dieses Wahlkampfversprechens sieht eine große Mehrheit der Costa-Ricaner die Regierung Alvarado in einem negativen Licht. Laut einer Umfrage der Universität von Costa Rica stimmt nur knapp ein Viertel der Befragten der Politik der Regierung zu, während die Hälfte sie ablehnt. Noch negativer bewertet die Bevölkerung jedoch die wirtschaftliche Lange des Landes. Die Arbeitslosigkeit ist in dem für mittelamerikanische Verhältnisse relativ stabilen und wohlhabenden Land in diesem Jahr auf ein Zehn-Jahres-Hoch von 12 Prozent gestiegen. So blicken nur 16 Prozent der Costa-Ricaner optimistisch in die Zukunft und nur 8,5 Prozent bewerten die aktuelle wirtschaftliche Situation positiv.

Amtsvorgänger und Parteikollege Luis Guillermo Solís hatte Alvarado eine schwere Hypothek vermacht. Gesellschaftspolitisch progressive Reformen hatten in dem konservativen Land weite Teile der Bevölkerung gegen die PAC aufgebracht. Dazu waren Kabinettsmitglieder von Ex-Präsident Solís (2014-2018) in einen der größten Korruptionsskandale der costa-ricanischen Geschichte verwickelt. Alvarado erreichte so bei den Präsidentschaftswahlen Anfang 2018 überraschend die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen. In dieser konnte er sich jedoch deutlich gegen seinen Kontrahenten Fabricio Alvarado, einen evangelikalen Hardliner, durchsetzen. Selbst weite Teile des großen katholisch-konservativen Milieus des Landes stimmten 2019 aus taktischen Gründen für den als sozial-liberal einzustufenden Carlos Alvarado. Der neugewählte Präsident bildete daraufhin eine "Einheitsregierung" – ein Novum in Costa Rica. So umfasst das Kabinett neben einer bekannten Feministin und LGBT-Aktivistin der linken Frente Amplio (Breite Front) auch stramme Neoliberale und Angehörige des politischen und ökonomischen Establishments.

José María Villalta, einziger Parlamentarier der bei den Parlamentswahlen 2018 massiv abgestürzten Frente Amplio, zog in der Legislativversammlung ein vernichtendes Urteil: "Nach der Präsidentschaft von Luis Guillermo Solís und dem ersten Jahr von Carlos Alvarado stehen die Dinge genauso wie vorher oder gar schlechter." Es bestehe letztlich kein Zweifel, "dass dies eine Regierung der Oberschicht ist", kritisierte Villalta.

Für die nächsten Jahre kündigte Alvarado Reformen zur Belebung der Wirtschaft und zum Ausbau der Infrastruktur an. Das dicht besiedelte zentrale Hochland des Landes hat in den letzten Jahren ein nie gesehenes Verkehrschaos erlebt. Um dieses zu bekämpfen sollen Autobahnen ausgebaut und ein neues System von Schnellzügen für den Personennahverkehr aufgebaut werden. Um die Wirtschaft anzukurbeln, verspricht Alvarado Investitionen in Bildung und öffentliche Arbeitsvermittlungssysteme. Auch aufgrund versiegender Anleihequellen im Inland warb Alvarado erneut vor dem Parlament für die Bewilligung neuer Auslandsschulden in Höhe von 9 Milliarden Euro, um die versprochenen Projekte zu finanzieren. Ob das Parlament einer weiteren Aufnahme von Schulden zustimmen wird, ist jedoch ungewiss, denn die Staatsverschuldung befindet sich auf einem Hoch von 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.