Weite Teile des Peronismus in Argentinien hinter Kandidat Fernández

"Patriotische Front" formiert sich. Verschuldung größte Herausforderung für Fernández. Regierung verliert neunte Wahl in Folge

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Alberto Fernández will kommender Präsident von Argentinien werden - und den Peronismus wieder einen
Alberto Fernández will kommender Präsident von Argentinien werden - und den Peronismus wieder einen

Buenos Aires. Die überraschende Kandidatur von Alberto Fernández für das Amt des argentinischen Präsidenten sowie der ehemaligen Staatschefin Cristina Fernández de Kirchner als Vize-Präsidentin hat breite Unterstützung eines Großteils des Peronismus erfahren. Neben sozialen und gewerkschaftlichen Organisationen haben acht peronistische Gouverneure sowie mehr als ein Dutzend Parteien und Bündnisse bereits angekündigt, die Wahl des Duos im Oktober dieses Jahres zu befürworten. Am Samstag traten die beiden Kandidaten erstmals gemeinsam auf.

Zum argentinischen Nationalfeiertag am 25. Mai sprachen Fernández und Fernández im Rahmen einer Parkeinweihung vor Tausenden Anhängern. Dieser ist nach dem ehemaligen Präsidenten (2003-2007) und verstorbenen Ehemann von Cristina Fernández, Néstor Kirchner, benannt worden. Als sein Kabinettschef habe Alberto Fernández viel von Kirchner zur Lösung von Problemen gelernt, vor allem wenn es darum ging, mit dem Internationalen Währungsfond (IWF) zu verhandeln, sagte Fernández. 2003 sei die Situation des Landes eine ähnliche wie heute gewesen, man habe es aber geschafft, die Staatsverschuldung zu reduzieren "ohne die Kosten auf die Argentinier abzuwälzen". Er habe damals den Weg aus dem Labyrinth gekannt, genauso werde es auch diemals sein, erklärte Fernández. Die kandidierende Vize-Präsidentin betonte, dass es "keine individuellen Erfolge" gebe und bat alle zivilgesellschaftlichen Kräfte um Unterstützung.

Bereits am Donnerstag haben die Vorsitzenden der peronistischen Gerechtigkeitspartei (PJ) mehr als fünfzehn politische Organisationen in ihren Hauptsitz eingeladen, um ein breites nationales Bündnis, die "Patriotische Front", zu gründen und möglichst auszuweiten. Laut Kommuniqué sei es bei dem Treffen um "die Förderung der Einheit nationaler, populärer, demokratischer, feministischer und lateinamerikanischer Kräfte" gegangen. Mindestens dreizehn progressive und populäre Organisationen, meist Parteien, haben zugesagt, für die Wahl von Alberto Fernandéz zu kooperieren.

Indes verkündeten die peronistischen Gouverneure der Provinzen Catamarca, Chaco, La Pampa, La Rioja, Santa Cruz, Santiago del Estero, Tucumán und Tierra de Fuego ihre Unterstützung für die unter dem Dach des Bündnisses Unidad Ciudadana ("Bügerliche Einheit") antretende Wahlformel Fernández–Fernández. Der Gouverneur der Provinz Córdoba, Juan Schiaretti, spricht sich dagegen weiterhin dafür aus, dass der innerhalb des Peronismus föderalistisch und konservativ ausgerichtete Block Föderale Alternative einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken soll. Dieser soll im Zuge der Vorwahlen Mitte August gekürt werden. Ein möglicher Kandidat ist Sergio Massa, seines Zeichen selbst langjähriger politischer Weggefährte von Alberto Fernández. Massa kündigte zuletzt an, weiterhin zur Verfügung zu stehen. Er betonte aber auch, er sei für den Dialog mit anderen Sektoren der Opposition offen. Ein Bündnis mit der Unidad Ciudadana bleibt daher weiter möglich.

Der ehemalige Gouverneur der Provinz Buenos Aires, Felipe Solá, sowie der Kirchner-Vertraute und Nationalratsabgeordnete, Agustín Rossi, haben mittlerweile ihre bereits angekündigten Kandidaturen wieder zurückgezogen. Der bei den Präsidentschaftwahlen 2015 als Kandidat des Kirchner-Lagers gegen Mauricio Macri unterlegene Daniel Scioli will dagegen weiterhin antreten.

Der 60-jährige Alberto Fernández ist Universitätsdozent am Institut für Strafrecht der Universität Buenos Aires. Von 2000 bis 2003 hatte er einen Sitz in der Abgeordnetenkammer der Hauptstadt Buenos Aires inne. Im Mai 2003 wurde er von Präsident Néstor Kirchner zum Vorsitzenden seines Ministerkabinetts ernannt. Diese Position bekleidete er auch noch im ersten Jahr der Präsidentschaft von Cristina Fernández, bis er aufgrund von Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Regierung und dem Agrarsektor zurücktrat. Danach näherte er sich für einige Zeit dem Block "Erneuerungsfront" von Sergio Massa an. Fernández gilt als geschickter Verhandler und Brückenbauer mit gutem Draht zur Partei- und Gewerkschaftsbürokratie.

Innenpolitisch werde Fernández nach eigenen Aussagen auf eine Stärkung des Staates und des Föderalismus setzen, sowie für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen eintreten. Außenpolitisch fordert er eine verstärkte lateinamerikanische Integration. Für die Rolle der USA in der Region gelte es, Formen der Zusammenarbeit in gegenseitigem Respekt zu finden, wozu es eine "intelligente Globalisierung" benötige. Hinsichtlich der politischen Situation im Nachbarland Brasilien betonte Fernández, er respektiere die Wahlentscheidung seiner Bürger, trete jedoch weiterhin für die Freilassung des Ex-Präsidenten Lula da Silva ein.

Aus wirtschaftspolitischer Sicht hob der Präsidentschaftskandidat die schwierige Situation hervor, in welche die Regierung Macri das Land durch ihre Schuldenpolitik manövriert habe: "Die Möglichkeiten für Verhandlungen mit dem IWF sind minimal. Wir werden darüber nachdenken, wie dieses Thema zu lösen ist. Die Entscheidung ist zu zahlen, aber dies ist nicht möglich in einem Land, das wirtschaftlich stillsteht. Das muss allen klargemacht werden."

Teil seines Teams aus Wirtschaftsexperten ist unter anderem Guillermo Nielsen. Dieser war in den Jahren 2004 und 2005 wesentlich an der Neuverhandlung der Staatsschulden nach dem Staatsbankrott beteiligt. Allgemein wird davon ausgegangen, dass ein Präsident Alberto Fernández gegenüber dem IWF auf eine Verlängerung der Tilgungsfristen drängen wird. Mit Augusto Costa gehört dem wirtschaftspolitischen Team jemand an, der wesentlich an der Einführung von Preiskontrollen für grundlegende Konsumprodukte in der Amtszeit von Cristina Fernández beteiligt war.

Für das Regierungsbündnis Cambiemos wird die Situation vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen dagegen immer angespannter. Zuletzt musste das Bündnis von Staatspräsident Macri in der Provinz La Pampa die neunte Wahlniederlage in Folge hinnehmen. Der Peronist Sergio Ziliotto wurde dort mit mehr als 52 Prozent der Stimmen zum Gouverneur gewählt. Der Kandidat von Cambiemos, Daniel Kronenberger, erreichte dagegen nur knapp 32 Prozent.

Bei den Wahlen im Oktober dieses Jahres werden neben dem Amt des Staatspräsidenten auch 130 Sitze im Abgeordnetenhaus und 24 Senatorenposten neu vergeben. Zuvor finden am 11. August landesweite Vorwahlen statt, bei denen die parteiinternen Wahllisten definiert werden. Nur jene Kandidaten, die dabei 1,5 Prozent oder mehr der Stimmen erreichen, sind zu den Präsidentschaftswahlen zugelassen.