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Kolumbien: Neue Beweise zur Hexenjagd und Korruption in der Armee

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Whistleblower hatten der New York Times berichtet, dass der Oberkommandierende der Armee, Nicacio Martínez, die Verdoppelung der getöteten Feinde gefordert hatte
Whistleblower hatten der New York Times berichtet, dass der Oberkommandierende der Armee, Nicacio Martínez, die Verdoppelung der getöteten Feinde gefordert hatte

Bogotá. Die kolumbianische Wochenzeitung Semana hat neue Informationen zur Verfolgung von Whistleblowern in der Armee öffentlich gemacht, die auf eine erneute Förderung illegaler Hinrichtungen hingewiesen hatten. Konkret soll General Eduardo Quirós, Leiter der Unterstützungsgruppe des militärischen Nachrichtenabwehrdiensts (Cacim), Belohnungen für Hinweise auf die Whistleblower angeboten haben. Die jüngsten Enthüllungen von Semana weisen ebenso auf Veruntreuungen von Geldern und illegale Verkäufe von Waffenscheinen an Unternehmer und Mafiaorganisationen durch hochrangige Militärs hin.

"Demjenigen, der mir die Leute bringt, die für die Informationen in den Medien verantwortlich sind, geben wir 100 Millionen Pesos [circa 30.000 Euro] oder sechs Monate Urlaub", soll Quirós bei einem Treffen mit seinen Untergebenen im Juni gesagt haben. Dies verriet einer der Teilnehmer gegenüber Semana. Man wisse, dass das Militär "verzweifelt" nach den Quellen der Enthüllungen sucht, sagte ein weiterer Teilnehmer des Treffens. Noch drei weitere Offiziere haben bestätigt, dass Quirós solche Belohnungen versprochen hat.

Die Whistleblower hatten der New York Times (NYT) berichtet, dass der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Nicacio Martínez, die Verdoppelung getöteter Feinde gefordert hatte. Weitere Anweisungen Martínez' waren die Auflockerung des Fehlerspielraums bei der Bestimmung militärischer Ziele und die Erhöhung der Angriffshäufigkeit von Militäreinheiten. Zu einer Zusammenarbeit mit paramilitärischen Drogenbanden haben hochrangige Militärs ebenso aufgerufen. All dies deutet auf die Rückkehr zur Politik der "Falsos Positivos" hin, die unter Álvaro Uribe (2002-2010) zur illegalen Tötung von 10.000 Zivilisten geführt hat, die als im Kampf gefallene Guerilleros präsentiert wurden. Seit den NYT-Enthüllungen versucht das Militär, kritische Offiziere durch Beschattungen, Morddrohungen und Versetzungen mundtot zu machen.

Darüber hinaus informiert Semana über schwerwiegende Anschuldigungen gegen hochrangige Offiziere, die Präsident Iván Duque Ende 2018 in die Militärführung befördert hat. Es handelt sich zum einen um General Jorge Romero Pinzón, der zwischen 2015 und 2017 Kommandant der 4. Armeebrigade war. Für die Genehmigung von Waffenscheinen für Industrielle und Unternehmer, die Waffen für ihre Sicherheit verlangten, soll Romero Geld gefordert haben, das an ihn persönlich bezahlt werden sollte. Für große Geldsummen sollen der paramilitärischen Drogenstruktur "Oficina de Envigado" Waffenscheine zugekommen sein.

Mehrere Militärs haben außerdem geklagt, dass General Adelmo Fajardo, aktuell zweiter Oberkommandierender der Armee, sie genötigt habe, Geld für seine persönlichen Zwecke zu besorgen, als er Oberbefehlshaber des Kommandos für Bildung und Doktrin (Cedoc) war. Gegen Fajardo liefen vor einigen Jahren seitens der Verwaltungsstaatsanwaltschaft Untersuchungen wegen Verbindungen zu den Paramilitärs. Sein Fall wurde von einem Mitarbeiter der Behörde abgeschlossen, dem Fajardo einen Hubschrauber für seine private Nutzung zur Verfügung gestellt hatte.

Zwei Tage nach den Enthüllungen von Semana haben Oberbefehlshaber Martínez und Verteidigungsminister Guillermo Botero,General Romero Pinzón aus dem Dienst entlassen, Fajardo beurlaubt und Quirós versetzt. Über die internen Verfolgungen beim Militär, über die Semana vor zwei Wochen berichtete, hatte Martínez allerdings gesagt, dass sie "nicht wahr sind".