Macri geht nach verlorenen Vorwahlen in Argentinien "all-in"

Geldgeschenke sollen Wähler besänftigen. Starke Kritik an "unzureichenden Maßnahmen". Linke um Kandidat Fernández reagiert besonnen

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Der noch amtierende Präsident setzt, wie hier bei seiner Stimmabgabe am Sonntag, alles auf eine Karte, um doch noch Präsident bleiben zu können
Der noch amtierende Präsident setzt, wie hier bei seiner Stimmabgabe am Sonntag, alles auf eine Karte, um doch noch Präsident bleiben zu können

Buenos Aires. Nach dem "schwarzen Montag" für die argentinischen Finanzmärkte mitsamt einem heftigen Absturz des Pesos nach den von der Opposition deutlich gewonnen Vorwahlen versucht Präsident Mauricio Macri, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Insbesondere Äußerungen Macris, in denen er das siegreiche Oppositionsbündnis "Frente de Todos" und dessen Wähler für die Reaktion der Märkte verantwortlich machte, schlugen im Nachgang hohe Wellen.

"Ich war sehr mitgenommen von den Ergebnissen der Vorwahlen und hatte wenig geschlafen", so Macris Entschuldigung am Mittwoch. Im Anschluss versprach er kurzfristige Geldgeschenke für die durch den abermaligen Absturz des Pesos am meisten betroffenen Menschen: die schon seit Längerem unter der Armutsgrenze Lebenden und die vielen Selbstständigen, die in kleinen und mittleren Betrieben (Pymes) ihr Geld verdienen. Macri kündigte an: ab September monatliche Extrazahlungen in Höhe von 2.000 Peso (rund 30 Euro) für Selbstständige, eine Anhebung des Mindestlohns, Steuererleichterungen und das Einfrieren des Benzinpreises für 90 Tage.

Die Kosten für den Staat, die aus diesen kurzfristig angelegten Maßnahmen entstehen, sollen bei 40 Milliarden Pesos liegen (rund 625 Millionen Euro). Vor dem Hintergrund eines annähernd bankrotten Staates, dessen Verschuldung in den fast vier Regierungsjahren von rund 50 auf über 90 Prozent gestiegen ist und der laufende Kosten vor allem aus Krediten des IWF deckt, scheint die Ankündigung weniger eine nachhaltige Maßnahme denn vielmehr ein Geschenk an die Wähler zu sein. Diese kurzfristig angelegten Versprechungen widersprechen zudem völlig der bisherigen Politik Macris, wonach er einen "langfristigen Plan" verfolge.

Kurzfristig ließen sich die Märkte noch nicht überzeugen: Der Kurs des Pesos stieg nach den Ankündigungen Macris am Mittwoch unmittelbar um acht Prozent, die Risikoprämie auf argentinische Staatsanleihen erhöhte sich um weitere zehn Prozentpunkte auf 1.900 Basispunkte. Am Donnerstag ging die Risikoeinstufung dann allerdings in gleichem Ausmaß wieder zurück und schloss bei immer noch extrem hohen 1.769 Punkten.

Gewerkschaften wie die CTA und CTEP sowie soziale Bewegungen und Vertreter der Pymes, die in der Vereinigung Nationaler Unternehmer (ENAC) organisiert sind, erklärten die Maßnahmen Macris für "unzureichend" und eine "Wahlkampftaktik".

Auch der nach den Vorwahlen nun klar favorisierte Kandidat von "Frente de Todos", Alberto Fernández, erklärte nach einem persönlichen Gespräch mit Macri am Mittwoch, dieser solle wie ein Präsident handeln und aufhören, sich wie ein Kandidat im Wahlkampf zu benehmen. Das werde seiner Verantwortung gegenüber der argentinischen Bevölkerung nicht gerecht.

Fernández äußerte außerdem in Übereinstimmung mit Ökonomen im Radiosender Mitre, der nun aktuelle Wert von rund 60 Pesos im Verhältnis zum Dollar sei gemäß den Umständen "angemessen". Für eine weitere Steigerung gebe es keine Grundlage. Dies war im Laufe des Montags noch anders befürchtet worden, unter anderen vom mittlerweile zum Fernández-Lager gehörenden ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Sergio Massa. In der Fernsehsendung "Animales Sueltos" zeigte dieser sich besorgt, Macri könne allein aus Eigennutz und um eine mögliche direkte Niederlage in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 27. Oktober zu verhindern, auf eine wirtschaftliche Eskalation als Taktik setzen. Massa wies auch auf das unverantwortliche Handeln des Macri-Lagers im Vorfeld der Vorwahlen hin: Noch am Freitag hätten drei regierungsnahe Institute Umfrageergebnisse veröffentlicht, die ein Kopf-an-Kopf-Rennen und damit eine realistische Option auf weitere marktfreundliche Regierungsjahre prognostizierten. Das an Unternehmer und die internationale Finanzmärkte gesandte Zeichen von Kontinuität wurde mit den Ergebnissen vom Sonntag dann aber konterkariert.

Dies könnte, neben der grundsätzlichen Skepsis der Finanzmärkte gegenüber einer Rückkehr der Linken an die Macht, ein wesentlicher Grund für die heftige Reaktion der Märkte gewesen sein. Denn dass Fernández als möglicher zukünftiger Präsident nicht mit IWF und sonstigen Kreditverpflichtungen brechen, sondern die Bedingungen zunächst nachverhandeln wolle, hatte er schon weit vor den Vorwahlen angekündigt. Entsprechend besonnen und auf Ausgleich bedacht agierte das Lager von "Frente de Todos" in den letzten Tagen. Sie werden dann aber in ein paar Monaten aller Wahrscheinlichkeit nach mit den Nachwirkungen der Wirtschaftspolitik Macris und zusätzlich dem Misstrauen der Finanzmärkte verantwortlich umzugehen haben.